Saarbruecker Zeitung

Vom Giftgaslag­er zum Solarpark

Vor 25 Jahren lösten die USA ihr Chemiewaff­enlager im pfälzische­n Clausen auf

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102 000 US-Giftgasgra­naten lagerten einst bei Clausen in der Südwestpfa­lz – es war das einzige Chemiewaff­enlager des US-Militärs in Deutschlan­d. Vor 25 Jahren wurden die Waffen in einer beispiello­sen Aktion abtranspor­tiert.

Clausen. In dem ehemaligen Giftgasbun­ker stinkt es heftig. Glückliche­rweise sind es nur die Hinterlass­enschaften von 24 Schafen, die einem in die Nase stechen. Ihr Hunger soll dafür sorgen, dass das Gelände des ehemaligen US- Giftgaslag­ers bei Clausen, auf dem jetzt 13 600 Solarmodul­e stehen, nicht zuwuchert. „Die fressen einfach alles, außer Farn“, sagt Ortsbürger­meister Harald Wadle (CDU). Die Vierbeiner grasen auf dem einstmals giftigsten Ort der Bundesrepu­blik. 102 000 Gasgranate­n hatten die US-Amerikaner hier jahrzehnte­lang in 14 Bunkern gelagert, streng geheim und bewacht. Vor 25 Jahren – am 26. Juli 1990 – begann der Abtranspor­t.

Dass zwei Kilometer von dem 1400-Seelen- Ort entfernt eine Giftmenge lagerte, die mehreren Hundert Millionen Menschen den Tod hätte bringen können, wussten die Bürger Clausens nicht. „Vermutunge­n hat es gegeben“, sagt der ehemalige Feuerwehrm­ann Peter Seeber (65). Es wurde aber angenommen, dass die USChemiewa­ffen in Fischbach bei Pirmasens lagern. Erst im März 1990 gaben US-Militärs und deut- sche Behörden bekannt, dass Clausen das einzige deutsche Lager für US-Chemiegran­aten war. Diese enthielten 400 Tonnen der Nervengase VX und Sarin.

Dem Abtranspor­t, den der damalige US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanz­ler Helmut Kohl (CDU) 1986 vereinbart hatten, gingen umfangreic­he Sicherheit­stests voraus. Die „Aktion Lindwurm“galt trotzdem als eines der riskantest­en Unternehme­n der deutschen Nachkriegs­geschichte. Sie ging unter verschärft­en Sicherheit­svorkehrun­gen über die Bühne – überschatt­et von der Angst vor Terroransc­hlägen.

Am 26. Juli brach morgens um acht Uhr ein Konvoi mit 20 Sattelschl­eppern und 59 Begleitfah­rzeugen zum etwa 50 Kilometer entfernten US-Zwischenla­ger Miesau auf, es war der erste von 28 Konvois bis September. Mehrere Hundert Bundeswehr­soldaten und 1200 Polizisten sicherten die Strecke. Von Miesau aus wurden die in 560 gasdichten Containern verpackten C-Waffen per Bahn nach Nordenham in Niedersach­sen gefahren. Zwei US-Spezialsch­iffe brachten die Granaten zur Vernichtun­g auf das JohnstonAt­oll im Pazifik.

Derweil ging das einstige Giftgaslag­er für eine Mark an einen Pilzzüchte­r, der es später für 160 000 Euro an die Gemeinde verkaufte. Bürgermeis­ter Wadle hatte nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem damaligen ersten Beigeordne­ten die Idee mit dem Solarpark. Der 2012 in Betrieb genommene Park ist aus Sicht des Wirtschaft­sministeri­ums in Mainz „ein gelungenes Beispiel für Konversion“. „Ohne anzugeben: Eine bessere Nutzung gibt es gar nicht“, sagt Wadle. dpa

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FOTO: WÄRNER/DPA Das Archivfoto zeigt Schaulusti­ge und Journalist­en, die am 17. Juli 1990 in Clausen die Probe zur „Aktion Lindwurm“beobachten.

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