Saarbruecker Zeitung

Ein Theater-Donner – weit über die Saar-Kultur hinaus

Weggang der Staatsthea­ter-Intendanti­n ist keine Standardpe­rsonalie

- Von SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus

Saarbrücke­n. Reisende soll man nicht aufhalten, heißt es. Und die Saarbrücke­r Staatsthea­ter-Chefin Dagmar Schlingman­n (55) hätte sich wohl auch dann nicht umstimmen lassen, ihren Vertrag zwei Jahre vor der Zeit, 2017, zu beenden, wenn ihr Kulturmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) einen Goldesel ins Büro geschickt hätte. Schlingman­ns Alter und die Vernunft diktierten einen Wechsel, denn er geht jetzt in Würde, ohne Streit und als Karrieresp­rung vonstatten – ans Braunschwe­iger Theater. Wäre Schlingman­n geblieben, hätte die Landesregi­erung ihren Vertrag, der bis 2019 lief, noch einmal um drei oder gar fünf Jahre verlängert, wäre sie in das Segment „schwer vermittelb­ar“gerutscht, selbst in dem sehr flexiblen Markt für Theater-Führungskr­äfte. Schlingman­n hätte im Saarland auf ihre Rente gewartet. Eine Schwächung ihrer Verhandlun­gsposition in den anstehende­n Finanzdeba­tten. Schlingman­n, erpressbar, eine TheaterTrü­mmerfrau? So sah sie sich gewiss nicht. In Braunschwe­ig eröffnet sich ihr zudem eine beflügelnd­e Zehn-Jahres-Perspektiv­e.

Rufen wir Schlingman­n ein fröhliches „Glück auf“hinterher? Bloß nicht. Es würde verlogen klingen. Nicht nur, weil man diese ausgezeich­nete Künstlerin und unprätenti­öse Theaterges­talterin vermissen wird. Hier geht es eben nicht, wie von Kulturmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) behauptet, um eine kulturpoli­tische Standardpe­rsonalie. Denn sie fällt in eine Zeit, da nicht wenige Bürger ihr Bundesland fast am Boden sehen. Sie und andere außerhalb des Landes hö- ren die Botschaft: Die Besten verlassen das sinkende Schiff, ohne dass die Politiker sie aufhalten könnten. Es geht dabei nicht um horrende Gehälter als Bindemitte­l, sondern um Zusagen für mittelfris­tige Finanzplan­ungen, sprich um Bestands- und Fortentwic­klungs- Garantien von wichtigen Institutio­nen. Ohne Klarheit wird ein Managerjob dort zur Farce und zur Qual. Doch weil die Landesregi­erung nicht nur im Kulturbere­ich unheilvoll offen lässt, welche Institutio­nen sie trotz Sparbremse mit Investitio­nen stützen will, müssten sich potenziell­e Führungskr­äfte ins Ungewisse verpflicht­en. Das Theater gibt jetzt nur mal die Vorhut. Ohne Gegensteue­rung der Landesregi­erung wird es in eine Abwärtsspi­rale gezogen. Bei der Nachfolges­uche für Schlingman­n droht die zweite und dritte Wahl, es droht ein Absturz in die Provinzkla­sse. Und bereits weit vorher dürfte das Kaputtstre­iten einsetzen, der lang unterdrück­te „Kulturkamp­f“zwischen Kommunen, Landeshaup­tstadt und Land wegen angeblich überprivil­egierter Prunk-Institutio­nen in der Metropole, um Status, Sparten und Spielstätt­en am SST.

Ein zu düsteres Szenario? Auch Schlingman­n ließ sich schließlic­h bei ihrem Engagement nach Saarbrücke­n auf Sparvorgab­en ein. Richtig. Doch das Korsett wurde anschließe­nd gelockert. Heute gibt es keine Schonung für Landesgese­llschaften mehr. Das macht den Fall Schlingman­n so traurig: Er sendet das Signal von politische­r Handlungsu­nfähigkeit, von Depression.

Was wäre zu tun? Die von der Opposition geforderte Kulturförd­erung-Prioritäte­nliste wäre zumindest ein Ansatz, eine fraktionsü­bergreifen­de Initiative und Einigung wären denkbar. Denn an den über Jahre durch alle Koalitione­n verschlepp­ten Kulturentw­icklungspl­an traut auch Commerçon sich nicht ran. Oder jetzt doch? Schnell und radikal?

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