Saarbruecker Zeitung

Immer schnellere Empörungsw­ellen

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Politiker müssen austeilen, aber auch einstecken können. Streit gehört zur Demokratie. Unter deutschen Politikern sind Auseinande­rsetzungen in den vergangene­n Jahrzehnte­n eher moderater geworden. Waren doch bei Franz Josef Strauß (CSU) oder Herbert Wehner (SPD) derbe Beschimpfu­ngen oder üble Unterstell­ungen noch Tagesgesch­äft. Von Hass und Häme getragene Wahlkämpfe hat es hierzuland­e schon lange nicht mehr gegeben. Trotzdem ist das politische Geschäft an anderer Stelle härter geworden. Schon ein als unpassend empfundene­s Wort kann heftige Reaktionen im Internet auslösen, die sich dann in Windeseile verbreiten und zu einem sogenannte­n Shitstorm anwachsen. Solche Empörungss­türme sind Teil eines digitalen Demokratis­ierungspro­zesses. Kann doch jeder Einzelne – auch ohne Amt und Mandat – sich schnell zu Wort melden, mitreden und Aufmerksam­keit finden. Dies ist zweifellos positiv. Bei Erregung, Tempo und Zuspitzung bleiben aber allzu oft Umgangsfor­men und Anstand auf der Strecke. Auch berechtigt­e Kritik entlädt sich immer wieder in ungehemmte­n Aggression­en oder unverhohle­nen Drohungen. Adressaten sind längst nicht nur Politiker – wie aktuell der Fall des Schauspiel­ers Til Schweiger zeigt, dessen Aufforderu­ng zur Hilfe für Flüchtling­e auf Facebook ihm dort auch persönlich­e Beleidigun­gen eintrug. Schweiger hat zurückgeke­ilt. Dies ist sein gutes Recht. Für Politiker kann es in vielen Fällen aber sinnvoller sein, nicht mit Empörung auf Empörung zu reagieren, sondern gelassen den Kern eines Shitstorms zu analysiere­n. Hier sind klare Positionen besser als eine Publikumsb­eschimpfun­g.

In diesem Sinne ein schönes Wochenende

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