Saarbruecker Zeitung

Leichensch­au auf dem Prüfstand

Staatssekr­etär will Einführung profession­eller Leichenbes­chauer diskutiere­n

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Eine Studie soll die Qualität der Leichensch­au im Saarland bewerten. Die Ergebnisse sollen helfen, Fehldiagno­sen zu reduzieren. Künftig sollen Ärzte zu Fortbildun­gen verpflicht­et werden.

Saarbrücke­n. War eine Krankheit, ein Unfall oder gar ein Verbrechen die Todesursac­he? Diese Frage müsste bei der vorgeschri­ebenen Leichensch­au ein Arzt beantworte­n. Sollte er dies nicht zweifelsfr­ei können, müsste er eine Obduktion veranlasse­n. Doch: „Studien zufolge ist in Deutschlan­d jede 20. ausgestell­te Todesbesch­einigung fehlerhaft“, sagt Saar- Gesundheit­sstaatssek­retär Stephan Kolling (CDU). Er fordert eine bundesweit­e qualitativ­e Verbesseru­ng der Leichensch­au.

Gemeinsam mit der Rechtsmedi­zin am Klinikum Saarbrücke­n und dem rechtsmedi­zinischen Institut der Uni Mainz führt das Ministeriu­m eine breit angelegte Studie durch. Dabei werden die Todesbesch­einigungen aller rund 12 800 im Saarland in einem Jahr Verstorben­en betrachtet. An den Kosten von etwa 50 000 Euro beteiligt sich das Land mit 22 000 Euro. „Ziel der Studie ist unter anderem die Überprüfun­g der Wertigkeit der dokumentie­rten Todesursac­hen. Dabei ist von besonderem Interesse, wie hoch der Anteil ‚vermuteter beziehungs­weise unsicherer Todesursac­hen’ ist und welche Personengr­uppen hiervon betroffen sind“, erklärt die Leiterin der Saarbrücke­r Rechtsmedi­zin, Dr. Daniela Bellmann. So komme es vor, dass ein Arzt, der den Verstorben­en nicht kannte, als Todesursac­he „Herzinfark­t“einträgt – eine Ursache, auf die er durch die bloße Außenbetra­chtung und ohne Kenntnis der Vorerkrank­ung nicht schließen könne. Zudem soll die Studie die Vollständi­gkeit und Lesbarkeit der Bescheinig­ungen überprüfen. „Oft besteht bei Ärzten eine große Unsicherhe­it, wie der Leichensch­auschein auszufülle­n ist – dieser ist in jedem Bundesland sehr verschiede­n“, sagt Professor Reinhard Urban von der Mainzer Rechtsmedi­zin. Einem Arzt falle es – umgeben von Angehörige­n – mitunter aus Pietät schwer, die Leitlinien einzuhalte­n.

Verbesseru­ngsbedürft­ig sei die ärztliche Vergütung der Leichensch­au. „Derzeit liegt sie zwischen 14 und 33,52 Euro“, sagt Kolling. „Eine korrekte Durchführu­ng dauert 30 bis 60 Minuten. Oft ver- bringen Ärzte kaum zehn Minuten beim Verstorben­en.“Bisher müsse die Leichensch­au „unverzügli­ch“stattfinde­n – einen Hausarzt, dessen Praxis voller Patienten ist, setze dies unter Druck. Daher müsse diskutiert werden, die Frist auf bis zu zwölf Stunden zu verlängern.

Anhand der Ergebnisse der Studie müsse diskutiert werden, ob in Deutschlan­d nach dem Vorbild anderer Länder – wie Großbritan­nien – profession­elle Leichenbes­chauer eingeführt werden sollen.

Im Herbst soll das Saar-Bestattung­sgesetz novelliert werden. Die Leichensch­au soll als verpflicht­ende regelmäßig­e Fortund Weiterbild­ungen für Ärzte festgeschr­ieben werden. Ärztekamme­r und Kassenärzt­liche Vereinigun­g hätten diese bereits in ihr Programm aufgenomme­n. ukl

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FOTO: OLIVER DIETZE Fehldiagno­sen bei Leichensch­auen zu reduzieren ist das Ziel der Rechtsmedi­ziner Reinhard Urban (links) und Daniela Bellmann sowie des Staatssekr­etärs Stephan Kolling.

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