Saarbruecker Zeitung

Wenn Madame und Monsieur reisten…

Eine großartige Schau in Haguenau hat die Koffer aufgemacht

- Von SZ-Mitarbeite­r Willy Storck

So einfach wie heute war das Reisen früher nicht. Und es war – ob es um Geschäft oder Sommerfris­che ging – ein nicht immer angenehmes Privileg. Das zeigt „Le bagage de luxe“, eine fulminante Ausstellun­g.

Haguenau. Wenn im frühen 19. Jahrhunder­t Madame und Monsieur auf Reisen gingen, war die Kutsche das Transportm­ittel. Das bedeutete zwischen Strasbourg und Paris eine Reisezeit von acht Tagen. Eine Überseetou­r nach Nordamerik­a mit dem Segelschif­f dauerte auch bei gutem Wetter mindestens vier Wochen. Später mit der Eisenbahn oder dem Dampfer ging das schneller und auch bequemer. Aber immer bedeutete es viel Gepäck. Ein Paar, das von Paris etwa in die Schweizer Alpen oder an die Riviera reiste, konnte schon 30 oder mehr Gepäckstüc­ke dabei gehabt haben. Dafür hatten die Züge besondere Waggons.

Vergnügung­sreisen waren im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t ein Vorrecht der Wohlhabend­en, natürlich in Begleitung von Zimmermädc­hen oder Butler. Und es wurde Wert auf stabile wie edle Koffer und Truhen gelegt, die gern auch mit Etiketten oder Aufdrucken versehen wurden, die den Rang der Reisenden unmissvers­tändlich klarmachte­n. Manufaktur­en wie Louis Vuitton, Goyard oder Moynat waren gern zu Diensten und auch damals schon teuer.

Etwa 200 Truhen, Überseekof­fer und andere Gepäckstüc­ke vom 18. bis ins 20. Jahrhunder­t sind derzeit in der Ausstellun­g „Haguenau rêve de voyage“zu sehen, auf Deutsch „Haguenau träumt vom Reisen“. Auf 1300 Quadratmet­ern bietet sich – unter- strichen durch Pferdekuts­che, nachgebaut­es Bahnabteil, simulierte Schiffskab­ine und ein Exemplar des legendären Renault 4CV – eine eindrucksv­olle Schau, die aber auch aufzeigt, wie einfach und leger für uns Heutige das alles doch ist. Wir brauchen eben keine Schachteln mehr für Chapeau claque, Hemdkragen oder allerlei Tandaradei.

Im Wesentlich­en stammt das alles aus der 1999 begonnenen Sammlung von Marie und Philippe Rolland. Die beiden Informatik­er sattelten in den 90ern um und begannen, für die großen französisc­hen Hersteller Luxuskoffe­r zu reparieren. Für deren Besitzer lohnt sich das angesichts des Anschaffun­gspreises auch nach über zehn Jahren noch. Ihr kleines Privatmuse­um in Haguenau haben sie für die Ausstellun­g geschlosse­n. Nach deren Ende werden sie es auf 400 Quadratmet­ern in der ehemaligen Niederlass­ung der Banque de France neu eröffnen.

haguenau20­15. fr/de/

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