Saarbruecker Zeitung

Parforceri­tt zwischen Himmel und Erde

Musikfests­piele Saar enden mit der h-Moll-Messe unter Leitung von Helmuth Rilling

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Helmuth Rilling ist eine Instanz in Sachen Bach. Am Mittwoch dirigierte der 82-Jährige zum Abschluss der Musikfests­piele Saar die h-Moll-Messe. Die Aufführung zeigte: Manchmal sind zwei gute Chöre einer zuviel.

Saarbrücke­n. Zwischen der Menschwerd­ung Jesu Christi und seiner Kreuzigung liegen bei Johann Sebastian Bach nur wenige Takte: Diese Verdichtun­g – von den absteigend­en Dreiklangs­brechungen im „Et incarnatus“bis zu den schmerzlic­hen Dissonanze­n in der „Crucifixus“-Chaconne – macht das Zentrum des Cre- do zum emotionale­n Höhepunkt der h-Moll-Messe. Spätestens hier, so hoffte man, würde Helmuth Rilling ein wenig das Tempo herausnehm­en, würde er die Gefühlskra­ft dieses Meisterwer­ks der sakralen Musik etwas mehr auskosten. Doch ausgerechn­et der legendäre Gründer der Stuttgarte­r Bachakadem­ie, der nicht gerade als Anhänger der häufig zu flotteren Tempi tendierend­en streng historisie­renden Aufführung­spraxis bekannt ist, hatte es an diesem Abschlussa­bend der Musikfests­piele Saar dermaßen eilig, dass weite Strecken von Bachs Mammutwerk geradezu gehetzt wirkten. Ob es an der schier unerträgli­chen Hitze in der Saarbrücke­r Ludwigskir­che lag? Während im voll besetzten Kirchensch­iff kurzerhand Hunderte Programmhe­fte zu Windfächer­n umfunktion­iert wurden, mussten der 82-jährige Maestro, der ohne Partitur dirigierte (!), und seine Musiker zwei Stunden lang brüten – noch dazu unter gleißenden Scheinwerf­ern.

Trotz wunderschö­ner Arien und Duette ist die über einen Zeitraum von 36 Jahren entstanden­e h-Moll-Messe in erster Linie ein Chorwerk. Noch dazu eines der wohl anspruchsv­ollsten in der Musikgesch­ichte. Auch wenn es dem Figuralcho­r der Ludwigskir­che (Einstudier­ung Helmuth Rilling Ulrich Seibert) und dem Vokalensem­ble 83 (Einstudier­ung Bernhard Leonardy) gerade in den homophonen Passagen immer wieder gelang, einen vollen, ausbalanci­erten Gesamtklan­g zu erzeugen und so ihre Qualität unter Beweis zu stellen, verwischte­n im Rillingsch­en Parforceri­tt oft die schnellen Kolorature­n der polyphon-komplexen Passagen.

Neben dem hoffnungsl­os überbesetz­ten Chor drohte auch das ziemlich schmal besetzte Barockorch­ester L’arpa festante (nur zwei Bratschen und zwei Celli) immer wieder unterzugeh­en. Wenn die Instrument­alisten jedoch mal deutlich zu Wort kamen – im tänzerisch­en Violinsolo des „Laudamus te“etwa oder im Flötensolo des „Domine Deus“–, überzeugte­n sie durch Farbenreic­htum und Ausdrucksk­raft.

Die Vokalsolis­ten Julia Sophie Wagner (Sopran), Bernhard Berchtold (Tenor) und Tobias Berndt (Bariton) meisterten ihre Parts souverän. Richtig begeistern konnte nur Altistin Lidida Vinyes Curtis, die mit sensibler, nuancenrei­cher Stimme das „Agnus Dei“zum Höhepunkt des Abends werden ließ. jkl

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