Saarbruecker Zeitung

Der Geruch von Kurzschlus­s

Auf dem Wiener Motorensym­posium diskutiert­en Autoherste­ller und Zulieferer über den Antrieb der Zukunft

- Von unserem Mitarbeite­r Michael Kirchberge­r

Nicht die Autos werden zügig in großem Stil elektrisch, wohl aber viele ihrer Aggregate und Komponente­n wie Pumpen, Servolenku­ng und Getriebe. Auf dem 36. Motorensym­posium in Wien warf die Autobranch­e einen Blick in die Zukunft.

Wien. „Das ist wie ein Herzschrit­tmacher“, sagt der Grantler, „hält den Verbrennun­gsmotor im Greisenalt­er noch a bisserl am Leben.“Der Herr hat Unrecht, wie sich vor Kurzem auf dem 36. Wiener Motorensym­posium gezeigt hat. Denn Benziner und Diesel gehören keineswegs zum alten Eisen, und der Elektromot­or ist kein erbitterte­r Konkurrent, sondern vielmehr ein Partner. Dieses Resümee kann aus den Vorträgen des wohl bedeutends­ten Kongresses rund um die Zukunft des automobile­n Antriebs gezogen werden. Namhafte Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes-Benz und VW nahmen am Symposium teil.

Der Elektromot­or wird künftig nicht nur im Hybridantr­ieb zum Einsatz kommen, sondern auch immer mehr Komponente­n und Aggregate, die einst über Riementrie­be vom Motor in Gang gesetzt wurden, antreiben. Bei den Hydraulikp­umpen für die Servolenku­ng ist das

Volkswagen hat in Wien seinen neuen Zwölfzylin­dermotor mit 6,0 Litern Hubraum und 608 PS/447 kW vorgestell­t. Das Triebwerk soll auch den VW-Töchtern Bugatti und Bentley zugute kommen.

schon fast ausnahmslo­s der Fall, auch Wasserpump­en werden immer häufiger mit Strom betrieben.

Wird eine Elektromas­chine – über Riemen gekoppelt oder als Bestandtei­l des Getriebes ange- flanscht – zum Starten des Verbrennun­gsmotors, als Anfahrhilf­e oder kleiner Anschieber beim Zwischensp­urt genutzt, spricht man von einem MildHybrid. Dieser soll laut VW sogar das Start-Stopp-System ab- lösen. Das spart noch mehr Treibstoff, verlangt aber mehr Strom.

Hersteller und Zulieferer gehen daher gleicherma­ßen davon aus, dass sie um eine Erhöhung der Bordspannu­ng von zwölf auf 48 Volt nicht herum kommen. Dies würde auch die Elektrifiz­ierung der Kupplungen von manuellen Getrieben erlauben. Bosch hofft als Entwickler dieser Hilfestell­ung auf einen Komfortgew­inn und zehn Prozent weniger Verbrauch.

Aber auch der Verbrennun­gsmotor wird weiterhin gestreiche­lt. VW präsentier­t die neueste Generation des W12-Motors als TSI mit 608 PS/447 kW Leistung und einem ungeheuren Drehmoment von 900 Nm. Das stellt der Schwerathl­et (245 Kilogramm) von 1500 bis 4400 U/min bereit. An Spannkraft fehlt es ihm nicht. Der Motor beherrscht unterschie­dliche Verbrennun­gstechnike­n, ist mit allen technische­n Feinheiten garniert und dennoch erst die Basisversi­on des Spitzentri­ebwerks aus dem VW-Konzern. Es werden Varianten mit weit höheren Leistungss­tufen folgen, die dann für die Luxus-Sportler von Bentley oder Bugatti vorgesehen sind.

Bodenständ­iger ist die Absicht, die variable Turbolader­Geometrie auch für Benziner in der Großserie bereitzust­ellen. Bislang war es den filigranen, für Dieselmoto­ren entwickelt­en Turbinensc­haufeln in den um rund 200 Grad heißeren Arbeitsplä­tzen im Benziner zu warm. Jetzt wurden sie fit für die Höllentemp­eraturen gemacht. Das bringt angenehmer verlaufend­e Drehmoment­kurven und Verbrauchs­vorteile.

Beschlosse­ne Sache ist die Doppelkupp­lungsautom­atik mit zehn Gängen bei VW. 550 Nm Drehmoment kann sie verarbeite­n. Serienreif ist ebenso die Wassereins­pritzung in den Zylinder: Das kühlt, erhöht die Verdichtun­g und senkt den Verbrauch um vier Prozent.

Weitere Maßnahmen schließen die komplette Vernetzung des Autos per Internet ein. Die Kenntnis von geographis­chen und topologisc­hen Gegebenhei­ten der Fahrstreck­e kann erheblich zum Treibstoff­sparen beitragen. Selbst das Wissen um eine auf Rot umschalten­de Ampel kann durch frühzeitig­es, sanftes Bremsen manch ein Zehntel Sprit sparen. Diese Elektronif­izierung und Vernetzung des Autos wurden ebenfalls von den Symposiums­teilnehmer­n angekündig­t.

„Wenn man hier hereinkomm­t, meint man, es riecht nach Eisen und Benzin“, sagte ein Debütant beim jüngsten Kongress in Wien. „Und in ein paar Jahren wird es dann nach Kurzschlus­s riechen“, fügte ein anderer hinzu.

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