Auch ohne Bremsspur lässt sich Unfallhergang klären
Gericht erkennt nach Unfall Glasscherben als Beweis für Ablauf des Zusammenstoßes an
Weil immer mehr Autos über ABS verfügen, gibt es nach Vollbremsungen keine Bremsspuren mehr. Unfälle zu rekonstruieren, werde dadurch schwierig, sagen die deutschen Verkehrsrechtsanwälte, aber doch nicht unmöglich.
Naumburg. (np) Nach einem Unfall sind oft keine Bremsspuren zu sehen, obwohl möglicherweise beide Fahrer voll auf die Bremse gestiegen sind, um einen Zusammenstoß noch zu vermeiden. Das hat mit dem ABS, dem Antiblockiersystem, zu tun, das mittler- weile zur Grundausstattung neuer Autos gehört. Da das ABS bei einer Vollbremsung ein Blockieren der Räder verhindert, fehlen Bremsspuren, die Aufschluss über die Geschwindigkeit oder eine Vollbremsung geben könnten. Dennoch kann es klare Hinweise geben, wie es zum Unfall gekommen ist. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg.
In einem Kreuzungsbereich war es zu einem Unfall mit zwei Fahrzeugen gekommen. Die Fahrerin des einen Wagens warf dem Unfallgegner vor, ihr die Vorfahrt genommen zu haben, und zog vor Gericht. Bremsspuren gab es am Unfallort nicht, da das Fahrzeug des verklagten Fahrers mit ABS ausgestattet war. Das Gericht in erster Instanz zog als Beweis jedoch die Lage der Glasscherben beider Fahrzeuge heran. Daraus ergab sich, dass die Autofahrerin wohl die Kurve geschnitten hatte. Ein Gutachten holte das Gericht nicht ein, da es keine weiteren Beweismittel gab. Das war richtig so, entschieden die Richter der zweiten Instanz. Die Lage der Scherben habe als Beweis ausge- reicht, um den Ablauf des Unfalls festzustellen. Ein Sachverständigengutachten sei nicht notwendig gewesen, da Anknüpfungspunkte wie etwa Bremsspuren gefehlt hätten. So wie die Scherben gelegen hätten, habe sich der Verkehrsunfall nicht schon im Kreuzungsbereich ereignet. Dem beklagten Fahrer könne man daher nicht vorwerfen, die Vorfahrt missachtet zu haben. Vielmehr habe seine Unfallgegnerin die Kurve geschnitten und sei damit allein verantwortlich für den Unfall (Az.: 10 U 11/13).