Ermittlung gegen Blogger auf Eis
Nach Empörungssturm will Generalbundesanwalt Verfahren vorerst nicht vorantreiben
Es hagelt Kritik am Vorgehen der Bundesanwaltschaft gegen den Blog Netzpolitik.org. Von einem Angriff auf die Pressefreiheit ist die Rede. Die Regierung geht auf Distanz. Und der Generalbundesanwalt schaltet einen Gang zurück.
Berlin. Die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen den Blog Netzpolitik.org haben Proteststürme ausgelöst. Die Bundesregierung distanzierte sich von dem Vorgehen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) äußerte gestern Zweifel an den juristischen Vorwürfen gegen die Blogger. Auch das Kanzleramt hält die Aktion nach Angaben aus Regierungskreisen für problematisch. Journalisten und Politiker von Linken, Grünen, FDP und Piraten reagierten mit Unverständnis auf die Aktion und forderten die Bundesanwaltschaft auf, das Verfahren einzustellen. Generalbundesanwalt Harald Range will die Ermittlungen vorerst nicht weiter vorantreiben und zunächst ein Gutachten zu dem Fall einholen.
„Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“, sagte Maas. Er habe auch Zweifel, „ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“.
Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme- Online-Award ausgezeichnet. Der Generalbundesanwalt wirft dem Gründer, Markus Beckedahl, und dem Autoren André Meister Landesverrat vor und hat dazu ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden eingeleitet. Es geht um die Veröffentlichung von Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Netzpolitik.org hatte in zwei Artikeln Pläne der Behörde zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und dazu Auszüge von vertraulichen Dokumenten ins Netz gestellt.
Verfassungsschutzpräsident Hans- Georg Maaßen hatte wegen der Durchstechereien Anfang Juli Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Auf Anfrage
MEINUNG
Landesverrat ist ebenso wie der Geheimnisverrat ein Straftatbestand von vorgestern. Und ein Willkürinstrument. Nach innen gegen jeden in den Behörden, der es wagt, über Missstände zu plaudern. Nach außen gegen jeden, der diese Informationen veröffentlicht. Die uralten Paragrafen sind stark reformbedürftig. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte, dann hat ihn Generalbundesanwalt Range ungewollt geliefert. wollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz jetzt nicht zu den Vorgängen äußern. Aus dem Umfeld der Behörde hieß es aber, Maaßen habe die Anzeigen nicht gegen Journalisten oder Blogger gerichtet. Ihm sei es vielmehr darum gegangen, gegen jene vorzugehen, die die Informationen an Journalisten gegeben hätten.
Der Netzpolitik.org- Gründer sprach von einem Einschüchterungsversuch. Die Aktion richte sich gegen investigative Journalisten und ihre Quellen, sagte Beckedahl. Seine Kollegen und er ließen sich dadurch aber nicht abschrecken. Journalistenverbände sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit und verlangten eine Einstellung des Verfahrens. Politiker von SPD, Grünen, Linken, FDP und Piraten kritisierten das Vorgehen der Bundesanwaltschaft als unverhältnismäßig und fragwürdig. dpa