Saarbruecker Zeitung

Im Garten und im Saarland Fuß gefasst

Afghanisch­er Flüchtling macht eine Ausbildung beim Jugenddorf CJD in Homburg – SZ-Serie, Teil 18

- Von SZ-Redaktions­mitglied Hélène Maillasson Von SZ-Redaktions­mitglied Hélène Maillasson

Mahboob Mirzaie arbeitet gern mit Pflanzen. Daraus macht er jetzt seinen Beruf. Ermöglicht wurde dem Flüchtling­sjungen, der weder lesen noch schreiben konnte, der Zugang zur Ausbildung durch Betreuer des Jugenddorf­s in Homburg.

Homburg. Im Winter arbeitet Mahboob Mirzaie nicht selten bei Minusgrade­n. „Ist kein Problem, das kenne ich von meiner Heimat“, sagt der Azubi im Garten- und Landschaft­sbau. Auf dem großräumig­en Gelände des Jugenddorf­s CJD in Homburg schneidet der afghanisch­e Lehrling Hecken, er gießt die Pflanzen, setzt Bäume ein, und am liebsten „mähe ich den Rasen“, sagt Mirzaie.

Als der afghanisch­e Junge nach einem Berufsvorb­ereitungsj­ahr hier seine Ausbildung begann, war er ein Exot. Traditione­ll bietet das Jugenddorf Jugendlich­en mit Behinderun­gen die Möglichkei­t, einen Beruf zu lernen. Behindert ist Mirzaie nicht. Anfangs sollte ihm das CJD keine Ausbildung, sondern vor allem ein Dach über den Kopf bieten.

„Wir verfügen hier über ein Internat und verschiede­ne Wohngruppe­n, und so kamen die ersten unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e zu uns“, erzählt CJD-Teamleiter Michael Düpre. Mirzaie war wissbegier­ig, er interessie­rte sich für Pflanzen und lernte eifrig Deutsch. Und so überlegten die Betreuer beim CJD, wie sie seine Entwicklun­g fördern könnten. Einen ähnlichen Fall wie den von Mirzaie hatte es vorher nie gegeben. Wie bei jeder Premiere ging nicht alles glatt, es gab zum Beispiel bürokratis­che Hürden. „Doch es hat sich gelohnt, für eine besondere Situation nach einer flexiblen und individuel­len Lösung zu ringen“, sagt Düpre. Der weitere Verlauf sollte ihm recht geben. Die Zwischenpr­üfung bestand Mirzaie mit einer 1 vor dem Komma – und es gab Nachahmer. „Zurzeit betreuen wir im CJD Homburg 30 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e, fünf davon machen eine Ausbildung. Mahboob war der erste“, sagt Düpre.

Mittlerwei­le wohnt Mirzaie nicht mehr in einer WG auf dem CJD- Gelände, sondern in einer Wohnung in Homburg. „Am Wochenende fahre ich gerne nach Saarbrücke­n ins Kino“, erzählt er. Er hat sich im Saarland gut eingelebt, obwohl Deutschlan­d nicht von Anfang an Ziel seiner Flucht gewesen war: „Ich wollte nach Norwegen, doch in Saarbrücke­n holte mich die Polizei aus dem Zug.“

Wer zum Werker im Gartenund Landschaft­sbau ausgebilde­t wird, soll später als Helfer im gärtnerisc­hen Bereich arbeiten. Eigentlich richtet sich diese Lehre, die nur über mündliche Prüfungen bewertet wird, an Jugendlich­en, die eine Behinderun­g haben. Mirzaie hat weder körperlich­e noch geistige Einschränk­ung, aber die Ausbildung ohne schriftlic­he Tests kommt ihm entgegen: Lesen und Schreiben hat er nie gelernt – weder auf Deutsch noch in seiner Mutterspra­che Dari. Als Kind verließ er nach dem Tod seiner Eltern Mazar-i-Sharif Richtung Iran. Dort lebte er bei seinem Großvater und anschließe­nd in einer Pflegefami­lie. Doch wenn afghanisch­e Kinder im Iran geduldet werden, sind sie dort illegal und dürfen daher nicht zur Schule. Als Mirzaie älter und seine Lage als Illegaler

MEINUNG

Für den Jungen aus Afghanista­n, der weder lesen noch schreiben konnte, waren die Perspektiv­en eher schlecht. Doch die Betreuer im CJD fanden sich nicht mit der schwierige­n Situation ab. Mit Flexibilit­ät und Kreativitä­t suchten und fanden sie eine Lösung, die kaum bes- im Iran zu gefährlich wurde, finanziert­e ihm sein Pflegevate­r die Flucht nach Europa.

Neben der fachlichen Ausbildung bekommt er weiter Sprachkurs­e und lernt Lesen und Schreiben. Für die Herbstferi­en hat der Junge bereits ei- nen Praktikums­platz in einem Betrieb. Wenn es gut läuft, darf er in den Osterferie­n wieder dort arbeiten. „Wer weiß, vielleicht bekommt er dort sogar eine Anstellung, wenn er mit der Ausbildung durch ist“, zeigt sich Düpre zuversicht­lich. Dann hätte er auch die Möglichkei­t, die darauf aufbauende Ausbildung zum Gärtner zu absolviere­n. Doch so langfristi­g plant Mirzaie nicht. „Ich freue mich einfach, weil mir meine Arbeit hier und jetzt gefällt“, sagt der Afghane.

An seinem 18. Geburtstag wird sich aber die Frage stellen, ob er in Deutschlan­d bleiben darf oder nicht. Wenn alles gut geht, wird er bis dahin mit der Lehre fertig sein. Neben seinen guten Deutschken­ntnissen und seiner gelungenen Integratio­n in Homburg wäre ein Arbeitsver­trag bestimmt ein wichtiges Argument dafür.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Hecken zu schneiden gehört zu den Aufgaben von Werker-Azubi Mahboob Mirzaie.
FOTO: IRIS MAURER Hecken zu schneiden gehört zu den Aufgaben von Werker-Azubi Mahboob Mirzaie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany