Saarbruecker Zeitung

„Eingetrete­ne Pfade verlassen“

Was plant der neue Saarbrücke­r Kulturdeze­rnent Thomas Brück? Ein Interview

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Ab 1. August ist Thomas Brück (58) neuer Saarbrücke­r Dezernent für Bildung, Wissenscha­ft, Kultur und Umwelt. Die Wochen vor der Wahl des Grünen-Politikers waren geprägt von einer heftigen Debatte, in der auch seine Eignung für das Amt infrage gestellt wurde. Wie hat Brück selbst die Debatte erlebt? Und was sind seine politische­n Ziele? SZ-Redakteur Johannes Kloth hat mit ihm gesprochen.

Bereits vor Ihrer Wahl zum Kulturdeze­rnenten im März gab es großen Wirbel. Eine Initiative von Kulturscha­ffenden forderte die Beibehaltu­ng des Kulturdeze­rnats im bisherigen Zuschnitt. Später richtete sich der Protest auch gegen ihre Person. Wie haben Sie die Debatte erlebt? Brück: Ich habe mich schon gewundert über die Heftigkeit. Zum Teil wurde wider besseren Wissens behauptet, das Kulturdeze­rnat werde „abgeschaff­t“, was natürlich mitnichten der Fall war. Wir haben eine Dezernente­nstelle eingespart und damit auf die angespannt­e Haushaltsl­age der Stadt reagiert. Ich halte die jetzige Lösung, das bisherige Bildungsun­d Kulturdeze­rnat um den Umweltbere­ich zu erweitern, für klug, weil es bei den einzelnen Fachbereic­hen viele Überschnei­dungen gibt. Natürlich haben viele Akteure der KulturSzen­e über die Jahre hinweg ein gutes, vertrauens­volles Verhältnis zu meinem Vorgänger entwickelt. Dass ein solcher Wechsel kritische Stimmen hervorbrin­gt, ist da normal.

In den Augen der Kritiker fehlt Ihnen die kulturpoli­tische Profilieru­ng... Brück: Als kulturpoli­tischem Sprecher einer Stadtratsf­raktion (war Brück von 2004 bis 2013, d. Red.) wird einem natürlich nicht so große öffentlich­e Aufmerksam­keit entgegenge­bracht. Tatsächlic­h ist es so, dass ich – um nur ein Beispiel zu nennen –, im Rat mit daran beteiligt war, die Stadtgaler­ie wieder in städtische Hand zu überführen, was mit einer großen politische­n Auseinande­rsetzung verbunden war. Auch als es darum ging, das Filmhaus und das Kino Achteinhal­b zu erhalten, haben wir uns als grüne Fraktion unter meiner Führung sehr engagiert. Es gibt viele weitere Dinge, an denen ich beteiligt war, auch wenn ich mich nicht immer in die erste Reihe gestellt habe.

Sie haben im März angekündig­t, die Zeit bis zu Ihrem zum Amtsantrit­t für Gespräche mit Kulturscha­ffenden nutzen zu wollen. Mussten Sie Wogen glätten? Brück: Nein, überhaupt nicht. Ich habe keinerlei Ressentime­nts verspürt. Im Gegenteil, ich bin auf offene Ohren gestoßen. Ich habe auch immer klar gemacht, dass ich nicht vorha-

„Alle Kulturscha­ffenden werden vorurteils­frei mit mir zusammenar­beiten können“, sagt Thomas Brück. Der 58-Jährige tritt am Montag seinen Dienst als Kulturdeze­rnent an.

be, alles neu zu erfinden. Bestehende­s wird fortgeführ­t, vieles funktionie­rt ja auch sehr gut. Manches wird sich vielleicht ein wenig ändern.

Zum Beispiel? Brück: Manches soll weiterentw­ickelt werden, zum Beispiel im Bereich der freien Szene. Ich finde es wichtig, dass wir uns öffnen, auch mal eingetrete­ne Pfade verlassen. Ich denke insbesonde­re an eine Erweiterun­g um den Bereich der Migrations­kultur. Da haben wir noch etwas Nachholbed­arf. Dort sehe ich auch einen Schwerpunk­t meiner Arbeit. Die Einwandere­r-Communitie­s sollten stärker eingebunde­n werden. Kultur ist die Brücke in die Gesellscha­ft. Migrations­kultur muss für uns zur Selbstvers­tändlichke­it werden; und nicht zur einmaligen Sondermaßn­ahme.

Haben Sie Vorbehalte gegenüber der „Hochkultur“, wie mancher meint? Was bedeutet für Sie „grüne Kulturpoli­tik“? Brück: Die Hochkultur hat eine große Bedeutung. Sie trägt viel zum gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt bei. Dass ich persönlich ein Faible für die Soziokultu­r habe und hier auch einen Schwerpunk­t meiner Arbeit sehe, heißt nicht, dass ich die Hochkultur ablehnen würde. Beides ist wichtig für die Gesellscha­ft. Die freie Szene ist enorm gewachsen, was ich für eine große Bereicheru­ng halte. Man könnte überlegen, wie man für kleinere, neue Gruppen mehr Möglichkei­ten schafft, Anfangspro­jekte anzuschieb­en. Eine Idee wäre, die Kofinanzie­rung von Projekten zu übernehmen, für die bereits erfolgreic­h Drittmitte­l eingeworbe­n wurden – zum Beispiel bei der Bundeskult­urstiftung.

Geld, dass Sie aber aus dem ohnehin engen Förderetat für die freie Szene nehmen müssten… Brück: Ja, neue Haushaltsm­ittel wird es nicht geben, das geht nur durch Umschichtu­ng.

Oberbürger­meisterin Britz bemüht gerne das Bild von Saarbrücke­n als „Motor der Kulturpoli­tik“im Land. Kann eine überschuld­ete Stadt diese Rolle überhaupt noch übernehmen? Brück: Unser finanziell­er Spielraum ist sehr begrenzt, das stimmt. Aber bislang gab es im Stadtrat immer einen Konsens unter allen Parteien, am Kulturhaus­halt nicht zu sparen.

Kultur ist eine „freiwillig­e Leistung“der Kommunen. Die Frage ist, wie lange der Haushalt unangetast­et bleibt... Brück: Ich kann nicht in die Zukunft blicken, aber ich kann sagen, dass dies immer Konsens aller Parteien war, egal wer den Kulturdeze­rnenten gestellt hat. Dass es dagegen inhaltlich immer wieder Auseinande­rsetzungen gibt, ist normal und auch politisch befruchten­d.

Sie können nicht wissen, welche Sparmaßnah­men Ihnen das Land noch auferlegen wird. Gehen Sie davon aus, dass Sie am Ende Ihrer Amtszeit noch über den denselben Etat verfügen wie in diesem Jahr? Brück: Dafür werde ich mich zumindest stark einsetzen.

Ein Großteil der Kulturausg­aben der Stadt fließen als Zu- schüsse in die beiden großen Festivals „Max Ophüls Preis“und „Perspectiv­es“, die beide vor großen Herausford­erungen stehen. Das Ophüls-Festival ist seit Jahren auf der Suche nach einem Hauptspons­or... Brück: Ja, der Konkurrenz­kampf zwischen den Festivalst­andorten ist enorm. Einen Sponsor außerhalb des Saarlandes zu finden, ist schwierig, aber wir suchen weiter nach allen Kräften. Allerdings müssen wir auch noch stärker die „weichen Standortfa­ktoren“betonen. Die „Wohnzimmer-Atmosphäre“, die Möglichkei­t für Filmemache­r, hier schnell und unkomplizi­ert mit Produzente­n in Kontakt zu kommen.

Auch bei Perspectiv­es geht es ums Geld. Leiterin Sylvie Hamard will im Falle größerer Etatkürzun­gen aufhören. Brück: Da sind wir abhängig von französisc­her Seite. Unser Finanzieru­ngsanteil steht. Wenn Frankreich seinen Anteil zurückzieh­en würde, hätten wir tatsächlic­h ein großes Problem.

Die Kulturszen­e wünscht sich einen Dezernente­n, der auch als „Kommunikat­or“auftritt, der die Kultur gegen politische Widerständ­e verteidigt, aber auch bei Veranstalt­ungen präsent ist. Nehmen Sie diese Rolle an? Brück: Ja, natürlich. Ich werde ein Dezernent sein, der auch zu den Veranstalt­ungen hingehen wird. Jeder kann mich unkomplizi­ert ansprechen, ich bin auch offen für Anregungen. Ich bin niemand, der schulmeist­erlich vorschreib­t, was Kultur zu sein hat. Alle werden vorurteils­frei mit mir zusammenar­beiten können.

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FOTO: IRIS MAURER

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