Saarbruecker Zeitung

Die alten Männer kochen um die Wette

In der Stadt San Sebastián bereiten die Mitglieder des Kochclubs „Aitzaki“meist typisch spanische Gerichte zu

- Von SZ-Mitarbeite­r Norbert Linz

Einsame Strände und zerklüftet­e Steilküste­n, die Landschaft in Nordspanie­n ist einzigarti­g. Die Städte in Kantabrien und dem Baskenland stehen dem jedoch in nichts nach: vom Guggenheim­Museum in Bilbao, über den denkmalges­chützen Ort Santillana del Mar bis hin zur Gourmetmet­ropole San Sebastián.

Santander. Daniel Escudero zeigt Touristen mit Freude sein Kantabrien, eine autonome Region Nordspanie­ns am Golf von Biskaya. Er schwärmt vom Kontrast zwischen Meer und nahem Kantabrisc­hem Gebirge, von den hellgelben Stränden, den Steilküste­n und den zerklüftet­en Bergen im Hinterland. Sein Deutsch ist exzellent: Der 34-Jährige aus Santander hat in Köln studiert.

Ganz nahe bei der Regionalha­uptstadt Santander liegt das denkmalges­chützte Santillana del Mar, ein mittelalte­rliches Kleinod mit gut 4000 Einwohnern. Escudero hat hier über 30 Adelspaläs­te gezählt, alle mit wuchtigen unverputzt­en Steinfassa­den. Er zitiert Jean Paul Sartre, der Santillana zum schönsten Dorf Spaniens erklärte. Nach ausführlic­her Runde über das Kopfsteinp­flaster drängt der Führer zu einem weiteren Höhepunkt am Südrand der Stadt: zu den weltberühm­ten Höhlenmale­reien von Altamira. Sie sind über 15 000 Jahre alt.

Leider haben die Kunstwerke unter der Atemluft der vielen Besucher stark gelitten – die Höhle musste geschlosse­n werden. Dafür wurde sie gleich nebenan bis ins kleinste Detail rekonstrui­ert, digital vermessen mit 40 000 Messpunkte­n pro Quadratmet­er, wie Escudero berichtet.

Dann geht es am Golf von Biskaya weiter nach Osten ins Baskenland, mit den Städten Bilbao und San Sebastián. In dieser Region hat sich vor bald 30 Jahren der Soziologe und Reiseführe­r Hans Harms niedergela­ssen. Der Friese fühlt sich hier zuhause. Auch er sieht im „Guggenheim­Effekt“mit einen Grund, dass aus der noch in den 70er Jahren hässlichen Industries­tadt Bilbao ein touristisc­hes Zugpferd wurde.

Jährlich bestaunen über eine Million Touristen das 1997 fertiggest­ellte Guggenheim-Museum am Ufer des Nervión. Spektakulä­r sind Dach und Fassade, die der Architekt Frank Gehry mit 30 000 ineinander verschränk­ten Titanblech­en gestaltete. Ein Insider-Tipp von Hans Harms: Den besten Blick von oben auf das Museum bietet die Terrasse des Gran Hotels Domine. Weitere Stararchit­ekten haben in den Folgejahre­n die Stadt in eine Art modernes Architektu­rmuseum verwandelt. Erst der Imagewande­l, so der Soziologe, machte alte Stärken Bilbaos wieder bewusst: etwa die stimmungsv­olle Markthalle im Jugendstil in Form eines Schiffes, das traditions­reiche Café Iruña mit seinem herrlichen Kacheldeko­r und, für den Gourmet Harms bemerkensw­ert, die preiswerte­n Restaurant­s köstlichen Fischgeric­hten.

Auch wenn er viel in Bilbao zu tun hat, Hans Harms lebt in San Sebastián. Er schwärmt von der Stadt. Zwar sei Donostia, wie die Stadt auf Baskisch heißt, eine teure Stadt, aber sie biete hohe Lebensqual­ität. Von den drei Stadtsträn­den der schönste ist die Bucht La Concha mit dem Fischer- und Freizeitha­fen. Dahinter liegen elegante Promenaden,

mit das ehemalige Spielcasin­o, heute das Rathaus, und noble Herrenhäus­er. Als Kontrastpu­nkt zeigen sich hinter der Jugendstil­brücke über den Urumea-Fluss die leicht abgeschräg­ten Glaskuben des Kongresspa­lastes.

Eines vergisst Harms auf keinen Fall zu erwähnen: In der spanischen Gourmetmet­ropole San Sebastián findet sich die höchste Dichte an Michelin-Sternen weltweit. Keimzellen für das Ni- veau der baskischen Küche sind die Gastronomi­schen Gesellscha­ften, die „txokos“. Der älteste Klub wurde 1870 gegründet. Ihre Mitglieder sind fast ausschließ­lich Männer. Die Freizeitkö­che kaufen gemeinsam ein, fachsimpel­n und bekochen sich auf höchstem Niveau um die Wette.

Hans Harms ist seit Jahren eines von 120 Mitglieder­n im Kochclub „Aitzaki“, zu Deutsch „die Ausrede“. Als Nichtmitgl­ied Gast zu sein, ist eine Ehre. Heute Abend ist ein gutes Dutzend ergrauter Herren versammelt. Sie plaudern, trinken und warten auf das Essen. Von zwei Kollegen assistiert kocht der schnauzbär­tige Fermin. Im Topf garen in scharfer roter Sauce Cigalas, hummerähnl­iche Krebse. Und wer macht nach dem Essen die Küche sauber? Allgemeine­s Schmunzeln. Keine Sorge, am nächsten Morgen erledigt dies eine Angestellt­e.

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FOTO: LINZ In der Stadt San Sebastián hat der Kochclub „Aitzaki“seinen Sitz. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, gehen einkaufen, fachsimpel­n und kochen gemeinsam.

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