Saarbruecker Zeitung

„Wettkampf gehört zum Sport“

Sportlehre­r-Präsident Wydra über Bundesjuge­ndspiele und Noten im Sportunter­richt

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Professor Georg Wydra, Präsident des Deutschen Sportlehre­rverbandes im Saarland, verteidigt die Bundesjuge­ndspiele und Noten im Sportunter­richt. Im Interview mit SZ-Redakteur Daniel Kirch erklärt der 62-Jährige auch, warum er nicht mehr an die Wiedereinf­ührung der dritten Sportstund­e glaubt und welche Folgen Bäderschli­eßungen für den Schwimmunt­erricht hätten.

Herr Professor Wydra, die Piraten im Landtag fordern, die Noten im Sportunter­richt abzuschaff­en, weil sie Kinder, die körperlich weniger leistungsf­ähig sind, ihrer Ansicht nach diskrimini­eren. Teilen Sie diese Ansicht? Wydra: Die Piratenfra­ktion bringt damit zum Ausdruck, dass sie sich mit dem Lehrplan und den Regelungen zur Notenverga­be im Sportunter­richt nicht beschäftig­t hat. Im Lehrplan steht seit über 15 Jahren, dass sich die Notengebun­g niemals nur an der absoluten körperlich­en Leistungsf­ähigkeit orientiere­n darf, sondern immer verschiede­ne Facetten in den Blick nehmen muss. Eine davon ist die relative Leistung: Sie ergibt sich aus den unterschie­dlichen körperlich­en Voraussetz­ungen und Ausgangsni­veaus der Schülerinn­en und Schüler. Die relative Leistung eines Schülers, der erst in Klassenstu­fe 6 das Schwimmen lernt, ist höher einzuschät­zen als die eines gleichaltr­igen Schülers, der schon seit seinem fünften Lebensjahr im Schwimmver­ein ist und der absolut gesehen natürlich besser ist.

So steht es im Lehrplan, aber wird es bei der Notengebun­g auch tatsächlic­h umgesetzt? Wydra: Wenn neue Lehrpläne kommen, darf man nicht davon ausgehen, dass dann sofort ein anderer Sportunter­richt gemacht wird. Das ändert sich aber mit den jüngeren Lehrern, die im Studium und im Referendar­iat entspreche­nd ausgebilde­t worden sind. Beim erziehende­n Sportunter­richt haben neben der Leistung auch andere Aspekte wie zum Beispiel Sozial-, Gesundheit­s- und Wagniserzi­ehung eine gleich große

Die Piraten im Landtag fordern, die Noten im Sportunter­richt abzuschaff­en.

Bedeutung.

Die Diskussion um die Bundesjuge­ndspiele hat vor einigen Wochen hohe Wellen geschlagen. Die Kritik lautet, dass leistungss­chwache Schüler dabei demotivier­t oder gar gedemütigt werden. Haben Sie Verständni­s für diese Diskussion? Wydra: Der Wettkampf gehört nun mal zum Sport, genauso wie die Bewegung und das Spiel. Das Leisten sollte immer auch reflektier­t und diskutiert werden. Wenn das im Sportunter­richt gemacht wird, stellen die Leistungsa­nforderung­en der Bundesjuge­ndspiele und der Umgang mit Sieg und Niederlage pädagogisc­h kein Problem dar.

Vor 20 Jahren ist die dritte Sportstund­e an den saarländis­chen Schulen weggefalle­n. Haben Sie noch Hoffnung, dass sie jemals wiederkomm­t? Wydra: Ich habe diese Hoffnung aufgegeben. Die Rahmenbedi­ngungen geben es nicht her. Der gesellscha­ftliche Mainstream will an den Schulen Lesen, Schreiben, Rechnen und Naturwisse­nschaften. Andere Bereiche haben da keine Chance. Wir können aber versuchen, die Qualität zu verbessern. Von den 90 Minuten Sport, die im Lehrplan stehen, werden ja nur 60 Minuten um- gesetzt, weil sich die Schüler noch umziehen müssen. Diese Verlustzei­ten haben nicht die Schüler und Lehrer zu verantwort­en. Damit die Schüler auf 90 Minuten Sportunter­richt kommen, muss deshalb mehr Zeit eingeplant werden.

Die Bäderlands­chaft wird sich ändern, weil viele Kommunen kein Geld mehr haben, um ihre defizitäre­n Bäder zu finanziere­n. Was schlagen die Sportlehre­r vor? Wydra: Wir brauchen einen Landesentw­icklungspl­an Schwimmbäd­er. Bäder sind von überregion­aler Bedeutung, das kommt ja auch im Beschluss des St. Wendeler Kreistags zum Ausdruck, das Bad in Tholey über die Kreisumlag­e mitzufinan­zieren. In diese Richtung wird es in Zukunft gehen. Kommunen werden stärker zusammenar­beiten. Ich glaube aber nicht, dass die Vielzahl der Bäder zu halten sein wird. Die Finanzen geben das nicht her.

Das heißt, dass es künftig weniger Schwimmunt­erricht gibt. Wydra: Das wäre sehr problemati­sch. Es müssen neue Wege gesucht werden, wie man auch in einem Schwimmbad, das zehn Kilometer entfernt ist, Unterricht realisiere­n kann. Nicht in zwei Stunden, von denen dann nur noch 30 Minuten fürs Schwimmen übrig bleiben. Da könnte man sich andere Modelle vorstellen, zum Beispiel Blockunter­richt, so dass die Schüler zwei Stunden im Wasser sein können.

War es ein Fehler, zu sehr auf Spaßbäder zu setzen statt auf einfache Bäder? Wydra: Ich denke ja. In ein Erlebnisba­d geht man ein paar Mal, dann hat es sich. Die Leute, das zeigen auch unsere Untersuchu­ngen, wollen schwimmen. Der Umbau des Schaumberg­bades in Tholey zu einem Erlebnisba­d war deshalb ein Fehler. Für ein Erlebnisba­d dieser Größenordn­ung braucht man einen ganz anderen Einzugsber­eich.

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FOTO: RADEMACHER/DPA
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Georg Wydra

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