Saarbruecker Zeitung

Range greift an – und verliert

Generalbun­desanwalt beklagt sich über Einmischun­g – Maas entlässt ihn

- Von Diana Niedernhöf­er und Christiane Jacke (dpa)

Generalbun­desanwalt Range geht in die Offensive und greift seinen Dienstherr­en Maas frontal an. Ein überrasche­nder Schritt und ein Gegenschla­g des viel Gescholten­en. Doch am Ende kostet es ihn sein Amt.

Berlin. Es dauert fast neun Stunden. Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) lässt sich lange Zeit, bis er auf die Anschuldig­ungen von Generalbun­desanwalt Harald Range reagiert. Range richtet gestern Morgen von Karlsruhe aus eine Kampfansag­e an Maas und sein Ressort. Stunden um Stunden schweigt das Ministeriu­m dazu. Erst am Abend stellt sich Maas schließlic­h in Berlin vor die Kameras. Und seine Reaktion fällt heftig aus: Der Chefermitt­ler aus Karlsruhe muss seinen Posten räumen.

Ein Blick zurück: Es ist 9.30 Uhr, als Range am Morgen in Karlsruhe vor die Presse tritt. Eine seiner Mitarbeite­rinnen hält erschrocke­n die Hand vor den Mund. Wie so mancher rechnet sie wohl damit, dass ihr Chef zurücktrit­t und damit die Konsequenz­en aus der Kritik an den Ermittlung­en gegen die Blogger von Netzpoliti­k.org zieht. Doch Range macht etwas ganz anderes, als er blass, aber gefasst seine Erklärung verliest. Er greift überrasche­nd seinen Dienstherr­en, Justizmini­ster Maas, an – und zwar hef- tig. „Auf Ermittlung­en Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträgli­cher Eingriff in die Unabhängig­keit der Justiz“, sagt Range. Die Justiz könne nur über die Einhaltung der Gesetze wachen, „wenn sie frei von politische­r Einflussna­hme ist“. Nur ein paar Minuten dauert Ranges Auftritt. Fragen lässt er nicht zu. Doch die Botschaft sitzt – ein solcher Frontalang­riff eines Generalbun­desanwalts gegen seinen Dienstherr­en sucht seinesglei­chen.

Was ist passiert? Netzpoliti­k.org hatte vertraulic­he Dokumente des Verfassung­sschutzes ins Netz gestellt. Es folgte eine Anzeige des Geheimdien­stes und ein Ermittlung­sverfahren gegen die Blogger wegen Landesverr­ats. Range gab ein externes Gutachten zu der Frage in Auftrag, ob es sich bei den Dokumenten um Staatsgehe­imnisse handelt. Der Sachverstä­ndige bejahte dies in einer vorläufige­n Bewertung für einen Teil der Dokumente. Range informiert­e das Justizress­ort. Von dort sei die Weisung gekommen, das Gutachten sofort zu stoppen, sagt der Chefermitt­ler. Das habe er befolgt, aber er habe die Sache auch öffentlich machen fentlichen Provokatio­n? Mitarbeite­r werden im Urlaub ans Telefon geholt, Vorgänge rekonstrui­ert. Stunden vergehen, in denen nichts nach draußen dringt.

Gegen 18.20 Uhr bricht Maas das Schweigen. Vor laufender Kamera erklärt er, Range habe die Dinge unzutreffe­nd dargestell­t. Es sei bereits am Freitag vereinbart gewesen, auf das externe Gutachten zu verzichten und stattdesse­n im Ministeriu­m eine rechtliche Einschätzu­ng zum Fall der Blogger zu erstellen. Die Äußerungen und das Vorgehen von Range seien nicht nachvollzi­ehbar und vermittelt­en der Öffentlich­keit einen falschen Eindruck, rügt Maas. Das Vertrauen sei „nachhaltig gestört“. Range werde deshalb vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Und einen Nachfolger präsentier­t Maas auch direkt: Der Münchner Generalsta­atsanwalt Peter Frank soll Ranges Posten übernehmen. Nach wenigen Minuten ist auch Maas’ Auftritt beendet.

Ranges Amtszeit wäre im kommenden Februar ohnehin zu Ende gegangen. Nun hat er mit seiner offenen Attacke seine Entlassung geradezu herausgefo­rdert.

Und wie geht es mit den Ermittlung­en gegen die Blogger weiter? Daran wird sich wohl niemand mehr die Finger verbrennen wollen. Gut möglich ist deshalb, dass auch sie bald der Vergangenh­eit angehören – ähnlich wie Range.

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