Saarbruecker Zeitung

„Amerikas Griechenla­nd“– Puerto Rico steht vor der Pleite

- Von dpa-Mitarbeite­r Hannes Breustedt

Finanzmini­ster Schäuble wollte Europas Hellas-Problem mit seinem US-Amtskolleg­en gegen dessen Baustelle in Puerto Rico tauschen. Nun ist die Karibikins­el zahlungsun­fähig. Trotzdem stellt sie für die USA ein geringeres Risiko dar als Griechenla­nd für die Eurozone.

New York/San Juan. Deutschlan­ds Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble hätte gerne mit seinem US-Amtskolleg­en getauscht: „Ich habe dieser Tage meinem Freund Jack Lew angeboten, dass wir Puerto Rico in die Eurozone übernehmen könnten, wenn die USA Griechenla­nd in die Dollarzone übernehmen würden.“Die kontrovers­e Aussage sorgte vor gut einem Monat, inmitten der zähen Verhandlun­gen um Athens Zukunft im Euroraum, für einiges Aufsehen und Kritik.

Seit gestern kann Puerto Rico – die hochversch­uldete Karibikins­el, die als selbstverw­altetes Außengebie­t zwar US-Territoriu­m, aber kein US-Bundesstaa­t ist – seine Rechnungen nicht mehr begleichen. „Aufgrund mangelnder Finanzmitt­el (...) konnte die Zahlung heute nicht komplett geleistet werden“, erklärte Melba Acosta Febo in einem nüchternen Statement. Der Präsident der staatliche­n Entwicklun­gsbank räumte damit den ersten Zahlungsve­rzug bei einer öffentlich­en Anleihe in der Geschichte des Landes ein. Konkret: Ein Schuldsche­in des staatliche­n Unternehme­ns Public Finance Corporatio­n (PFC) über 58 Millionen Dollar (53 Mio. Euro) wurde nur mit 628 000 Dollar bedient. Die Reaktion der ersten großen Rating-Agentur folgte unmittelba­r: „Moody’s betrachtet dieses Ereignis als Zahlungsau­sfall“, teilten die Bonitätswä­chter mit und stuften diesen Fall unumwunden als Pleite („Default“) ein. Standard & Poor’s hatte kürzlich eine ähnliche Bewertung angedeutet.

An den Finanzmärk­ten spielte Puerto Rico gestern dennoch kaum eine Rolle. Verglichen mit dem wochenlang­en Schuldendr­ama, das zuletzt in Athen aufgeführt wurde, scheinen die Staatsfina­nzen des tropischen Inselparad­ieses Anleger kaum zu interessie­ren. Puerto Rico wird zwar gerne als das „Griechenla­nd der USA“bezeichnet. Aber stimmt der Vergleich wirklich? „Beide Länder haben schöne Strände und mildes Wetter, aber weniger gemeinsam, wenn es um ihre wirtschaft­lichen Probleme geht“, heißt es in einer Analyse der „New York Times“. Alleine schon das Ausmaß der Schuldenla­st ist kaum zu vergleiche­n: Puerto Rico schuldet Investoren umgerechne­t 66 Milliarden Euro, während Griechenla­nd mit gut 300 Milliarden Euro bei Kreditgebe­rn in der Kreide steht. Griechenla­nd hat zwar mit etwa elf Millionen deutlich mehr Einwohner als Puerto Rico mit 3,5 Millionen. Doch auch an der Wirtschaft­sleistung gemessen ist die Lage viel kritischer. Während Puerto Ricos Staatsschu­lden im Verhältnis zum Bruttoinla­ndsprodukt etwa 70 Prozent betragen, liegen sie in Griechenla­nd bei knapp 170 Prozent. Beide Länder gehören zu Währungsun­ionen – sie können keine autonome Geldpoliti­k betreiben, was das Krisenmana­gement erschwert.

Die Europartne­r haben in Griechenla­nd bereits Hilfskredi­te in dreistelli­ger Milliarden­höhe im Feuer. Die Mitgliedsc­haft des Landes im Euro hat zudem hohen Symbolwert für die Unzerstörb­arkeit der Gemeinscha­ftswährung. Puerto Rico hingegen kann nur sehr bedingt auf Unterstütz­ung aus Washington hoffen. Weil das Außenterri­torium kein US-Bundesstaa­t ist, kann es formal keine Finanzhilf­en beantragen. Ob der US-Kongress dem Land entgegenko­mmt, muss sich erst zeigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany