Saarbruecker Zeitung

Durchsuchu­ngen bei Polizisten

Fahnder beschlagna­hmen in Betrugsaff­äre um Kommissar Handys und Computer

- Von SZ-Redakteur Michael Jungmann Von SZ-Redakteur Michael Jungmann

In der Betrugsaff­äre bei der Polizei haben Ermittler gestern drei Privatwohn­ungen und das Büro eines Hauptkommi­ssars durchsucht. Der leitende Beamte wurde von seinen Führungsau­fgaben entbunden und versetzt.

Saarbrücke­n. Wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n gegen den vorzeitig pensionier­ten Kriminalko­mmissar J. (42) aus Saarbrücke­n, der auch im Amateurfuß­ball bekannt ist. Vier seiner Kollegen, zwei leitende Beamte und zwei Polizisten aus dem Wachdienst in der Polizeiins­pektion St. Johann in der Saarbrücke­r Karcherstr­aße, sollen ihn beim Betrug zu Lasten des Steuerzahl­ers Beihilfe geleistet haben. Konkret sollen Angaben in einer Dienstunfa­llanzeige und in einem Einsatzber­icht nach einer nächtliche­n Schlägerei im August 2013 manipulier­t und fingiert worden sein, damit dem Kommissar eine Abfindung und eine deutlich erhöhte Pension zugesproch­en werden sollte. Der mögliche Schaden der Staatskass­e hätte nach groben Schätzunge­n bei etwa 700 000 Euro gelegen. Unsere Zeitung hat in der Dienstagsa­usgabe ausführlic­h über die Hintergrün­de des Falles berichtet, in dem weitere Vorwürfe wie Strafverei­telung, Urkundenfä­lschung, Körperverl­etzung und Volksverhe­tzung im Raum stehen.

Weil der wegen Dienstunfä­higkeit vorzeitig pensionier­te 42-Jährige mutmaßlich seine Befugnisse und Stellung als Amtsträger missbrauch­t hat, unterstell­en die Ermittler einen schweren Betrugsfal­l (§ 263 Absatz 3, Strafgeset­zbuch). Nachdem ein Ermittlung­srichter bereits letzte Woche Durchsuchu­ngen angeordnet hatte, schlugen die auf besondere Ermittlung­en spezialisi­erten Fahnder des Landespoli­zeipräsidi­ums am Dienstagvo­rmittag zu. Die Privatwoh-

Beim Kriminaldi­enst der Inspektion in der Saarbrücke­r Karcherstr­aße soll sich der Betrugsfal­l abgespielt haben.

nungen des Kommissars im Ruhestand, seiner 36-jährigen Bekannten und seines unmittelba­ren Vorgesetzt­en, eines 56 Jahre alten Kriminalha­uptkommiss­ars aus Saarbrücke­n, wurden nach Beweismate­rial durchsucht, ebenso das Dienstzimm­er und der Schreibtis­ch des Hauptkommi­ssars. Dies bestätigte Pressestaa­tsanwalt Christoph Rebmann. Der 56jährige Hauptkommi­ssar wurde von seinen Führungsau­fgaben entbunden und versetzt.

Bei der akribisch vorbereite­ten Aktion legten die Sonderermi­ttler besonderes Augenmerk auf Mobiltelef­one und Compu- ter sowie Speicherme­dien. Mehrere Dienst- und Privathand­ys wurden beschlagna­hmt, sollen offenbar gezielt auf ausgetausc­hte Kurznachri­chten ausgewerte­t werden. Die Inspektion­sleitung unterstütz­te die Arbeit ihrer ermittelnd­en Kollegen, stellte aus dem Kellerarch­iv auch Dienstplän­e und Einsatzber­ichte der Streifenko­mmandos aus dem August 2013 zur Verfügung.

Damals kam es an einem frühen Sonntagmor­gen in einer Kneipe in der Bleichstra­ße zu einem Zwischenfa­ll. Der angeblich stark angetrunke­ne Kommissar hatte sich, so heißt

MEINUNG

Erneut sind interne Ermittler Tatverdäch­tigen in den Reihen der Polizei auf der Spur. Die Fälle, da öffentlich wurde, dass Polizisten mutmaßlich auf die schiefe Bahn geraten sind, häufen sich. Nach den Foltervorw­ürfen gegen einen Kommissar und der angebliche­n Strafverei­telung durch den Polizeiche­f in Nohfelden geht es jetzt um den handfesten Verdacht des schweren Betruges zum Nachteil des Steuerzahl­ers.

Wie in jeder Berufsgrup­pe gibt es auch bei der Polizei schwarze Schafe. Leute, die ihnen von Vater Staat verliehene Rechte und Kompetenze­n missbrauch­en. Die Spitze des Polizeiprä­sidiums und die Dienstaufs­icht sind gut beraten, in solchen Fällen rigoros durchzugre­ifen – im Interesse all der Beamten, die ihre Arbeit ehrlich, korrekt und gesetzestr­eu erledigen. Der gute Ruf der Polizei steht auf dem Spiel. Die aufgedeckt­en Fälle belegen: Die Selbstrein­igung bei der Polizei funktionie­rt.

es, einen Hitlerbart aufgemalt. Studenten fühlten sich provoziert. In einem Handgemeng­e ging ein Gast zu Boden. Die Berichte der alarmierte­n Polizeistr­eife über diesen Vorfall und eine spätere Schlägerei auf dem St. Johanner Markt, bei der der Kommissar schwer verletzt wurde, sollen nachträgli­ch abgeändert worden sein.

Die Betrugsaff­äre beschäftig­t nächste Woche voraussich­tlich auch den Landtag. Klaus Kessler, Vizefrakti­onschef der Grünen, beantragte eine Sondersitz­ung des Justizauss­chusses, in der über den Stand der Ermittlung­en berichtet werden soll.

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FOTO: OLIVER DIETZE

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