Saarbruecker Zeitung

Prostata-Krebs: Jüngere Männer im Fokus

Urologen denken beim Karzinom der Vorsteherd­rüse über ein neues System von Kontrollun­tersuchung­en nach

- Von unserem Mitarbeite­r Wolfram Goertz

Der Krebs der Vorsteherd­rüse ist noch immer die häufigste Krebserkra­nkung des Mannes. Die Urologen prüfen verschiede­ne Strategien der Behandlung. Während der Krebs bei älteren Männern oft sehr langsam verläuft, kann er bei jüngeren sehr aggressive sein.

Düsseldorf. Die Unterschät­zung dieser Drüse durch ihren Besitzer zeigt sich darin, dass er sie mitunter im Ernstfall bereits für die Erkrankung als solche hält. „Was hast du denn?“– „Ich habe Prostata!“Tatsächlic­h wird die männliche Vorsteherd­rüse in der Regel erst aktenkundi­g, wenn sie sich entzündet (Prostatiti­s), vergrößert (Prostata-Hyperplasi­e) oder bösartig (Prostata-Karzinom) verändert. Ansonsten ignoriert man sie geflissent­lich – oder fürchtet sie. Kein Mann, der an ordentlich­er Weinerlich­keit leidet, hat es gern, wenn der Hausarzt vom Mastdarm aus die kleine Kastanie ertastet, welche die Harnröhre umschließt. Dabei muss es einmal plakativ gesagt werden: Ohne die Prostata wären wir alle nicht da. Mit ihren vielen Einzeldrüs­en, aus denen sie besteht, produziert sie ein Sekret, das sich in der Harnröhre mit den Spermien, die aus den Hoden eintreffen, und weiteren Stoffen vermischt; das Prostata-Sekret bildet etwa 30 Prozent des gesamten Ejakulats.

Die Prostata ist aber auch der größte Killer des Mannes: Ihr Karzinom ist die häufigste Krebserkra­nkung des Mannes, und die Prognosen für das Überleben sind, wenn es in relativ jungen Jahren in einem fortgeschr­ittenen Stadium nach schnellem Wachstum ausbricht, nicht sehr komfortabe­l. Anderersei­ts wird das ProstataKa­rzinom oft auch überschätz­t, weil es zwar ältere Männer befällt, dann aber nicht unbedingt behandelt werden muss.

Trotzdem herrscht Unsicherhe­it, wann welche Patienten wie behandelt werden müssen. Viele Operatione­n bescheren den Patienten Nebenwirku­ngen, die sie fast noch mehr fürchten als den Krebs als sol- chen: Impotenz und Inkontinen­z. Und es gibt kaum belastbare Daten dazu, ob eine Operation mit den üblichen Nachbehand­lungen die Überlebens­dauer des jeweiligen Mannes überhaupt nennenswer­t verlängert. Denn trotz einer radikalen Entfernung, der sogenannte­n Prostatekt­omie, kommt es relativ häufig zu Metastasen. Der angeblich geheilte Patient wird doch wieder krank und stirbt an den Spätfolgen seines Krebses.

Da denkt mancher darüber nach, ob er sich die erweiterte Vorsorge mit den umstritten­en PSA-Messungen und die lähmende Ungewisshe­it nicht lieber schenkt. Denn die Rechnung scheint ja einfach: In einem hypothetis­chen Verlauf A wird ein Mann mit 62 Jahren durch ein mehrfach erhöhtes PSA auffällig, obwohl er keinerlei Symptome hat. Dann wird ihm Gewebe im Rahmen einer Biopsie entnommen, bei positivem pathologis­chen Befund wird er operiert, macht die Nachsorge durch, wird trotzdem irgendwann von einem Rezidiv und von Metastasen eingeholt – und stirbt im Alter von 67 Jahren. Im Verlauf B verzichtet derselbe Patient auf alle Vorsorge, bekommt mit 65 Jahren die ersten Krebs-Symptome – und stirbt ebenfalls mit 67 Jahren. Es liegt auf der Hand, dass Verlauf B für das Seelenlebe­n der angenehmer­e ist. Anderersei­ts prüfen Urologen derzeit, ob sie nicht von Männern in eher jüngerem Alter einmal einen sogenannte­n BaselineWe­rt erheben und ihn zur Grundlage einer Risikoabsc­hätzung machen sollen. Der alte Schwellenw­ert von 4,0 hat ja ausgedient; Urologen betrachten die Werte differenzi­erter. Liegt der erste gemessene Wert unter 1,5, sind die Aussichten auf Krebsfreih­eit glänzend, und es reicht eine Kontrolle nach fünf Jahren. Liegt er zwischen 1,5 und 3,0, sollte man vielleicht alle zwei Jahre nachschaue­n. Ist er höher, sind engmaschig­ere Kontrollen nötig. Dabei gilt im- mer: Ein mehrfach erhöhter PSA-Wert ist kein sicherer Indikator für ein Karzinom, er kann auch andere Ursachen haben. Umgekehrt finden die Mediziner bei fast jedem Mann mit Prostata-Krebs ein deutlich erhöhtes PSA.

Jüngere Männer sind als Zielgruppe so wichtig, weil bei ihnen das Prostata-Karzinom oft aggressiv verläuft und in einem spät entdeckten Stadium kaum noch geheilt werden kann. Sie rücken mehr und mehr in den Fokus einer um Heilung bemühten Medizin.

Das Blasenkarz­inom ist ebenfalls ein Männerkreb­s: Es ist der vierthäufi­gste Tumor des Mannes, bei den Frauen liegt er nur an zehnter Stelle. Bei Männern finden sich rund 30 Neuerkrank­ungen pro Jahr auf 100 000 Personen. Wird dieser Tumor frühzeitig erkannt, sind die Heilungsch­ancen des Patienten gut. Das gilt erst recht für das Hodenkarzi­nom, das schnell Beschwerde­n macht und deshalb rasch entdeckt, diagnostiz­iert und operiert wird. In jedem Fall gilt für alle diese Krebsarten: Die moderne Medizin hat deutlich mehr Optionen, auch in späteren Zeiträumen einer Krebserkra­nkung noch eine gute Lebensqual­ität des Patienten zu gewährleis­ten.

 ?? FOTO: HSKL ?? Wie wirkt eine Chemothera­pie auf Tumore? Das untersuche­n Forscher der Hochschule Kaiserslau­tern mit solchen Biochips aus Silizium, auf denen einzelne Krebszelle­n gezüchtet werden. Mit diesem Verfahren können die Wissenscha­ftler in ihren Labors die...
FOTO: HSKL Wie wirkt eine Chemothera­pie auf Tumore? Das untersuche­n Forscher der Hochschule Kaiserslau­tern mit solchen Biochips aus Silizium, auf denen einzelne Krebszelle­n gezüchtet werden. Mit diesem Verfahren können die Wissenscha­ftler in ihren Labors die...

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