Diagnose: Staffelfieber
Schwimmer zeigen Teamgeist bei WM – Hüther und Bruhn sichern Olympia-Startplatz
Der gute Teamgeist im deutschen Schwimmteam bei der Weltmeisterschaft in Kasan wirkt sich auch positiv auf die Staffelleistungen aus. Das gestiegene Wir-Gefühl setzt zusätzliche Kräfte frei.
Kasan. Im deutschen Schwimmteam ist das Staffelfieber ausgebrochen. Das gemischte Lagenquartett begeistert bei der WM-Premiere mit Bronze, Weltrekordler Paul Biedermann will seine Teamkollegen mit aller Macht zu einer Medaille ziehen, und Bundestrainer Henning Lambertz freut sich über bereits zwei feste Staffelstartplätze für Olympia in Rio de Janeiro.
Von großen Staffelerfolgen früherer Jahre ist die deutsche Mannschaft bei der WM in Kasan zwar nach wie vor weit entfernt. Doch immerhin scheint hier die Talsohle durchschritten. Mit spürbarem Wir- Gefühl treiben sich die Schwimmer gegenseitig zu Höchstleistungen an, die sie im Einzel mitunter nicht erreichen.
„Man kann noch mal zusätzliche Kräfte mobilisieren. Man steht zusammen auf der Startbrücke, vollbringt gemeinsam eine Leistung, und im Erfolgsfall ist das Jubeln noch ein bisschen schöner“, sagt Biedermann. Der WM-Dritte will heute, an seinem 29. Geburtstag, auch mit der 4x200-Meter-Freistilstaffel, die er schon bei der Heim-EM in Berlin zu Gold geführt hatte, aufs Podest.
Das Erlebnis einer Siegerehrung hätte Annika Bruhn im Einzel nie erfahren. Als Schlussschwimmerin rettete die Athletin vom Olympiastützpunkt in Saarbrücken aber der deutschen Mixed-Lagenstaffel am Mittwoch über 4x100 Meter den dritten Platz, obwohl hinter ihr der Russe Wladimir Morosow angeflogen kam. „Ich habe die letzten 50 Meter gedacht, dass da noch drei andere stehen, die auch die Medaille haben wollen. Das spornt einen zusätzlich an“, sagt Bruhn.
Am Morgen danach reichte ihre Kraft im Einzel über 100 Meter Freistil nur zum 33. Platz. Doch nur wenige Minuten später half die 22-Jährige wieder mit, dass die Freistilstaffel der Frauen über 4x200 Meter, in der auch Marlene Hüther von der SSG Saar Max Ritter eingesetzt wurde, auf Platz zwölf zumindest das Ti- cket für Olympia löste. „Wenn es da mit dem Finale klappt, wäre das viel geiler als hier", sagt Alexandra Wenk. Die Staffelfaszination erklärt die WM-Siebte über 100 Meter Schmetterling so: „Der eine verlässt sich auf den anderen, das ist das Geile an der Staffel.“
In Kasan konnte auch die 4x100-MeterFreistilstaffel der Männer um Biedermann das Olympiaticket buchen. Die Frauen waren an diesem Ziel knapp gescheitert. Dass es bislang nur für die gemischte Staffel zum Finaleinzug gereicht hat, zeigt Bundestrainer Lambertz, dass trotz aller Bemühungen noch viel Marlene Hüther Arbeit auf ihn und seine Athleten wartet. „Staffeln waren immer eine Stärke von uns. Die haben wir ein bisschen verloren, und wie vieles andere will ich auch das wieder beleben“, sagt Lambertz: „Aber das dauert ein bisschen. Das Ziel muss bis 2016 sein, im Finale dabei zu sein.“
Besonders viel Freude hatte Lambertz am gemischten Staffelwettbewerb. In der jungen Disziplin schwimmen mitunter Männer und Frauen direkt gegeneinander, so dass selbst große Rückstände am Ende noch aufgeholt werden können. Für Lambertz ist der Wettbewerb olympiareif: „Das fände ich nicht schlecht, weil es eine interessante und zuschauergerechte Sache ist.“