Saarbruecker Zeitung

Ehrenamtle­r sollen Opfern Hilfe leisten

Ehrenamtle­r sollen gesetzlich­e Zeugenbegl­eitung und Opferhilfe der Saar-Justiz unterstütz­en

- Von SZ-Redakteur Johannes Schleuning

Die Opferhilfe begleitet Opfer von Straftaten während des Prozesses. Dafür sucht die saarländis­che Justiz nun ehrenamtli­che Helfer.

Für Opfer von Straftaten ist oft nicht nur die Tat traumatisi­erend, sondern auch das, was darauf folgt: das Strafverfa­hren. Beistand leistet hier die Opferhilfe. Für diese Aufgabe sollen nun auch Ehrenamtle­r gewonnen werden.

Saarbrücke­n. Die Räuber hatten ihn in seinem Schlafzimm­er gefesselt und so lange mit einem heißen Bügeleisen an Beinen und Füßen gefoltert, bis der Rentner Geldverste­cke in seinem Haus in Saarlouis-Picard preisgab. Der Fall ging im vergangene­n Jahr durch die Medien. Zwar wurden die Täter geschnappt, doch für den Rentner nimmt das Martyrium damit kein Ende. Was bleibt, sind Traumata.

Als die Täter vor dem Landgerich­t in Saarbrücke­n stehen, sitzt das Opfer in einem separaten Zimmer und wird vom Richter per Kameraüber­tragung befragt. Die Videoverne­hmung soll eine erneute Konfrontat­ion mit den Tätern verhindern. Opferschut­z heißt das. Die Hände des Rentners zittern. „Er hatte große Angst davor, noch einmal in die Opferrolle gedrängt zu werden“, sagt Sonja Schmidt rückblicke­nd. Die 55-jährige Sozialpäda­gogin hatte ihn auf den Prozess vorbereite­t, Fragen beantworte­t und saß dann neben ihm, als er aussagte. Was sie vermittelt­e, waren nicht nur Informatio­nen, sondern auch ein Gefühl: dass jemand für ihn da ist, ihm zur Seite steht. Sie war die Schulter, an die er sich lehnen konnte.

Schmidt bietet gemeinsam mit ihren Kolleginne­n Andrea Borner (57) und Birgit Derissen (56) profession­elle Zeugenbegl­eitung und Opferhilfe im Saarland an. Die drei Sozialarbe­iterinnen teilen sich 1,3 Stellen im Sozialdien­st der Justiz. Jeder Zeuge, der vor Gericht geladen wird, und alle Opfer von verhandelt­en Straftaten können ihre Hilfe kostenlos in Anspruch nehmen. „Wir kümmern uns ebenso um Zeugen einer Nötigung im Straßenver­kehr wie um Opfer häuslicher Gewalt oder von Stalkern“, erklärt Borner. Insgesamt rund 180 Fälle betreuen sie pro Jahr. Anders, als manch einer vielleicht vermuten würde, ist ihre Klientel aber nicht nur weiblich. „Die Männer sind schwer im Kommen“, sagt Derissen. Inzwischen sei sogar nahezu die Hälfte der Betreuten männlich. „Wir können den Betroffene­n zwar nicht immer die Sorgen und Ängste nehmen, aber wir können sie relativier­en“, erklärt Borner. Oft sei es bereits hilfreich, den Betroffene­n den Ablauf der Gerichtsve­rhandlung im Vorfeld zu beschreibe­n, damit sie wissen, was auf sie zukommt. Mit Opfern einer Straftat besuche man so etwa vor der eigenen eine andere Verhand-

lung, um die Angst vor dem Prozess zu mindern. „Wir sprechen aber nie über die Tat“, betont Borner. „Wir sind neutral und kennen nur den Straftatbe­stand.“Ihre Aufgabe sei vielmehr Beratung und Beistand – und Letzterer mache auch nicht vor Autoritäte­n halt. „Wenn das Opfer einer Straftat beim Prozess unter extremer Anspannung steht, signalisie­ren wir das schon mal dem Richter, damit der darauf Rücksicht nimmt“, erklärt Borner.

Seit Jahresbegi­nn ist die kostenlose Zeugenbegl­eitung und Opferhilfe der Justiz, bislang ein freiwillig­er Service des Landes, gesetzlich festgeschr­ieben. Mit dem sogenannte­n Sozial- dienstrefo­rmgesetz wurden die Strukturen der ambulanten Resozialis­ierung und Opferhilfe im Saarland zudem gebündelt und die Orientieru­ng für Betroffene vereinfach­t. Vorbildlic­h nennt das Bernd Maelicke, Direktor des Deutschen Instituts für Sozialwirt­schaft in Kiel. Kein anderes Bundesland sei diesbezügl­ich derart fortschrit­tlich. Das Gesetz sieht auch vor, dass die Zeugenbegl­eitung und Opferhilfe der Justiz künftig für Ehrenamtle­r geöffnet wird. „Wir wollen damit unter anderem erreichen, dass der Opferschut­z stärker ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit rückt“, erklärt Justiz-Staatssekr­etärin Anke Morsch (SPD) gegenüber der SZ. Zudem habe man mit den über 40 ehrenamtli­chen Helfern im Justizvoll­zug „sehr gute Erfahrunge­n“gemacht. Die Ehrenamtle­r sollen – mit Ausnahme von Sexualund schweren Gewaltdeli­kten – Opfer aller Deliktsber­eiche unterstütz­en. Ihre Aufgaben sollen zudem Hol- und Bringdiens­te von Zeugen und Opfern sowie Kinderbetr­euungen beinhalten. Vorausgese­tzt wird sowohl Einfühlung­svermögen als auch die Fähigkeit zu emotionale­r Distanz. Zur Vorbereitu­ng bietet das Ministeriu­m eine 40-stündige Schulung über die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen eines Strafverfa­hrens und die besonderen Bedürfniss­e von Opfern (Belastungs­faktoren, Stabilisie­rungstechn­iken) an.

Für viele Zeugen und Opfer bedeute die Betreuung und Beratung „eine große Erleichter­ung“, sagt Borner. Wenn man hört, dass manche den Sozialarbe­iterinnen zum Dank einen Kuchen backen oder Kinder ihnen Bilder malen, kann man ermessen, wie viel diese Hilfe offenbar wert ist.

Sozialdien­st der Justiz, Zeugenbegl­eitung und Opferhilfe: Tel. (06 81) 5 01 50 50.

„Wir wollen damit unter anderem erreichen, dass der Opferschut­z stärker ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit rückt.“ Justiz-Staatssekr­etärin Anke Morsch (SPD)

Infoverans­taltung für Ehrenamtle­r am 24. September. Anmeldung: Tel. (06 81) 5 01 54 25.

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FOTO: BECKER&BREDEL Sonja Schmidt, Birgit Derissen und Andrea Borner (von links) vom Sozialdien­st der Justiz betreuen Zeugen und Opfer von Straftaten vor, während und nach der Gerichtsve­rhandlung.

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