Ehrenamtler sollen Opfern Hilfe leisten
Ehrenamtler sollen gesetzliche Zeugenbegleitung und Opferhilfe der Saar-Justiz unterstützen
Die Opferhilfe begleitet Opfer von Straftaten während des Prozesses. Dafür sucht die saarländische Justiz nun ehrenamtliche Helfer.
Für Opfer von Straftaten ist oft nicht nur die Tat traumatisierend, sondern auch das, was darauf folgt: das Strafverfahren. Beistand leistet hier die Opferhilfe. Für diese Aufgabe sollen nun auch Ehrenamtler gewonnen werden.
Saarbrücken. Die Räuber hatten ihn in seinem Schlafzimmer gefesselt und so lange mit einem heißen Bügeleisen an Beinen und Füßen gefoltert, bis der Rentner Geldverstecke in seinem Haus in Saarlouis-Picard preisgab. Der Fall ging im vergangenen Jahr durch die Medien. Zwar wurden die Täter geschnappt, doch für den Rentner nimmt das Martyrium damit kein Ende. Was bleibt, sind Traumata.
Als die Täter vor dem Landgericht in Saarbrücken stehen, sitzt das Opfer in einem separaten Zimmer und wird vom Richter per Kameraübertragung befragt. Die Videovernehmung soll eine erneute Konfrontation mit den Tätern verhindern. Opferschutz heißt das. Die Hände des Rentners zittern. „Er hatte große Angst davor, noch einmal in die Opferrolle gedrängt zu werden“, sagt Sonja Schmidt rückblickend. Die 55-jährige Sozialpädagogin hatte ihn auf den Prozess vorbereitet, Fragen beantwortet und saß dann neben ihm, als er aussagte. Was sie vermittelte, waren nicht nur Informationen, sondern auch ein Gefühl: dass jemand für ihn da ist, ihm zur Seite steht. Sie war die Schulter, an die er sich lehnen konnte.
Schmidt bietet gemeinsam mit ihren Kolleginnen Andrea Borner (57) und Birgit Derissen (56) professionelle Zeugenbegleitung und Opferhilfe im Saarland an. Die drei Sozialarbeiterinnen teilen sich 1,3 Stellen im Sozialdienst der Justiz. Jeder Zeuge, der vor Gericht geladen wird, und alle Opfer von verhandelten Straftaten können ihre Hilfe kostenlos in Anspruch nehmen. „Wir kümmern uns ebenso um Zeugen einer Nötigung im Straßenverkehr wie um Opfer häuslicher Gewalt oder von Stalkern“, erklärt Borner. Insgesamt rund 180 Fälle betreuen sie pro Jahr. Anders, als manch einer vielleicht vermuten würde, ist ihre Klientel aber nicht nur weiblich. „Die Männer sind schwer im Kommen“, sagt Derissen. Inzwischen sei sogar nahezu die Hälfte der Betreuten männlich. „Wir können den Betroffenen zwar nicht immer die Sorgen und Ängste nehmen, aber wir können sie relativieren“, erklärt Borner. Oft sei es bereits hilfreich, den Betroffenen den Ablauf der Gerichtsverhandlung im Vorfeld zu beschreiben, damit sie wissen, was auf sie zukommt. Mit Opfern einer Straftat besuche man so etwa vor der eigenen eine andere Verhand-
lung, um die Angst vor dem Prozess zu mindern. „Wir sprechen aber nie über die Tat“, betont Borner. „Wir sind neutral und kennen nur den Straftatbestand.“Ihre Aufgabe sei vielmehr Beratung und Beistand – und Letzterer mache auch nicht vor Autoritäten halt. „Wenn das Opfer einer Straftat beim Prozess unter extremer Anspannung steht, signalisieren wir das schon mal dem Richter, damit der darauf Rücksicht nimmt“, erklärt Borner.
Seit Jahresbeginn ist die kostenlose Zeugenbegleitung und Opferhilfe der Justiz, bislang ein freiwilliger Service des Landes, gesetzlich festgeschrieben. Mit dem sogenannten Sozial- dienstreformgesetz wurden die Strukturen der ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe im Saarland zudem gebündelt und die Orientierung für Betroffene vereinfacht. Vorbildlich nennt das Bernd Maelicke, Direktor des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft in Kiel. Kein anderes Bundesland sei diesbezüglich derart fortschrittlich. Das Gesetz sieht auch vor, dass die Zeugenbegleitung und Opferhilfe der Justiz künftig für Ehrenamtler geöffnet wird. „Wir wollen damit unter anderem erreichen, dass der Opferschutz stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt“, erklärt Justiz-Staatssekretärin Anke Morsch (SPD) gegenüber der SZ. Zudem habe man mit den über 40 ehrenamtlichen Helfern im Justizvollzug „sehr gute Erfahrungen“gemacht. Die Ehrenamtler sollen – mit Ausnahme von Sexualund schweren Gewaltdelikten – Opfer aller Deliktsbereiche unterstützen. Ihre Aufgaben sollen zudem Hol- und Bringdienste von Zeugen und Opfern sowie Kinderbetreuungen beinhalten. Vorausgesetzt wird sowohl Einfühlungsvermögen als auch die Fähigkeit zu emotionaler Distanz. Zur Vorbereitung bietet das Ministerium eine 40-stündige Schulung über die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Strafverfahrens und die besonderen Bedürfnisse von Opfern (Belastungsfaktoren, Stabilisierungstechniken) an.
Für viele Zeugen und Opfer bedeute die Betreuung und Beratung „eine große Erleichterung“, sagt Borner. Wenn man hört, dass manche den Sozialarbeiterinnen zum Dank einen Kuchen backen oder Kinder ihnen Bilder malen, kann man ermessen, wie viel diese Hilfe offenbar wert ist.
Sozialdienst der Justiz, Zeugenbegleitung und Opferhilfe: Tel. (06 81) 5 01 50 50.
„Wir wollen damit unter anderem erreichen, dass der Opferschutz stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt.“ Justiz-Staatssekretärin Anke Morsch (SPD)
Infoveranstaltung für Ehrenamtler am 24. September. Anmeldung: Tel. (06 81) 5 01 54 25.