Saarbruecker Zeitung

Die Kleinen entscheide­n, wer in Stuttgart regiert

Landtagswa­hlprognose schwierig – Rechtsradi­kale wittern Chance

- Von SZ-Mitarbeite­rin Gabriele Renz

Stuttgart. Noch wenige Monate, dann werden sich die Blicke der deutschen Politik mehr und mehr auf Baden-Württember­g richten. Im März will die CDU die Stuttgarte­r Staatskanz­lei zurück, auf die sie Jahrzehnte lang ein Abonnement hatte. Doch die Parteienla­ndschaft in Baden-Württember­g ist im Umbruch. Grün-Rot hier, CDU und FDP dort? Ob es zu diesem stark polarisier­enden Lagerwahlk­ampf kommen wird, zu einem Duell zwischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n von den Grünen und CDUHerausf­orderer Guido Wolf, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur, dass der Wähler im Vergleich zur Landtagswa­hl 2011 mehr Parteien im Angebot hat. Auch sind die Themen nicht ganz absehbar.

Seit die Flüchtling­sthematik prominent auf der politische­n Agenda steht, hat sich der Ton in der Auseinande­rsetzung bereits etwas verschärft. Vor allem tauchen wieder Wortmeldun­gen von ganz rechts auf. Die in Vergessenh­eit geratenen Republikan­er wittern ebenso Morgenluft wie die Deutsche Liga oder die NPD. Auch die AfD wird man kaum abtun können. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die Rechtspopu- listen, von liberalen Eurokritik­ern befreit, noch stärker am ultrarecht­en Rand fischen werden. Die Parteien rechts der CDU stoßen im Südwesten auf ein stabiles Wählerpote­nzial von zusammen gut zehn Prozent. 1992 verlor die regierende CDU nach einem Asylwahlka­mpf die absolute Mehrheit und die rechtsextr­emen Republikan­er wurden von fast 540 000 Wählerinne­n und Wählern in den Landtag gespült. Erst zwei Legislatur­perioden später flogen die „Reps“wieder raus. Und heute? Politologe­n, Parteienfo­rscher, auch die Parteien selbst waren lange der Ansicht, dass alle klug aus der Erfahrung von 1992 geworden sind, als auch der damalige SPD-Spitzenkan­didat Dieter Spöri auf das Zuwanderun­gsthema einstieg und eine Begrenzung des Zuzugs von Aussiedler­n forderte. Eingezahlt hat dies ausschließ­lich auf das Konto der Rechtsextr­emisten.

Heute scheint die SPD im Verbund mit den Grünen gefeit vor allzu scharfer Rhetorik. CDUSpitzen­kandidaten Guido Wolf erntete aber schon ein zweifelhaf­tes Lob der Republikan­er, Wahlkampf mit der Asylproble­matik zu machen. Für die CDU ist es nicht leicht, bei innerer Sicherheit und Zuwanderun­g Profil zu zeigen, ohne den Extremiste­n Futter zu bieten.

Die Unübersich­tlichkeit im Parteiensy­stem Baden-Württember­g hat zugenommen. Auch auf der anderen Seite des Spektrums. Die Grünen mit ihrer Galionsfig­ur Kretschman­n werden sich zwar weiter in der bürgerlich­en Mitte bewegen und versuchen, ihre Regierungs­fähigkeit herauszust­ellen. Die SPD ebenso. Die Linke aber hat mit ihrem vergleichs­weise prominente­n Spitzenkan­didaten Bernd Riexinger mehr Möglichkei­ten als noch vor fünf Jahren. Die Partei – in der Griechenla­ndpolitik sowie in ihrer Haltung zum umstritten­en Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21 ein Unikat – liegt in Umfragen bei vier Prozent und ist damit ebenso ins Kalkül zu ziehen wie die Freien Wähler, die erstmals bei einer Landtagswa­hl antreten. Die FDP will unbedingt wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, um vom Stammland aus dem Bundestren­d weiter Schwung zu geben. Kommen sie alle in den Landtag, kann sich Guido Wolf den Koalitions­partner aussuchen. Schafft es keiner der Kleinen, wird Kretschman­n Regierungs­chef bleiben. Es war in Baden-Württember­g nie schwerer, Prognosen abzugeben.

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