Saarbruecker Zeitung

„Leiharbeit darf nicht der billige Jakob sein“

Grünen-Politikeri­n Pothmer sieht die Pläne von Andrea Nahles skeptisch, die Zeitarbeit neu zu regeln

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Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) plant für den Herbst eine gesetzlich­e Regulierun­g der Zeitarbeit. Die Opposition sieht das Vorhaben mit Skepsis, wie die arbeitsmar­ktmarktpol­itische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, im Gespräch mit unserem Korrespond­enten Stefan Vetter deutlich macht.

Frau Pothmer, die Linksparte­i würde die Leiharbeit am liebsten ganz abschaffen. Wollen die Grünen das auch? Pothmer: Nein, wir wollen den Missbrauch von Leiharbeit bekämpfen und sie auf ihre Kernfunkti­on zurückführ­en. Wenn Unternehme­n Auftragssp­itzen abfedern und Personalen­gpässe überbrücke­n müssen, ist Leiharbeit dazu geeignet. So können Betriebe flexibel reagieren. Diese Möglichkei­t soll erhalten bleiben. Die Flexibilit­ät darf aber nicht zu Lasten der Arbeitnehm­er gehen.

Zur Vermeidung

von

Miss- Arbeitsmar­kt-Expertin Pothmer.

Brigitte

brauch sollen Zeitarbeit­er künftig für maximal 18 Monate an eine andere Firma verliehen werden können. Was gibt es daran auszusetze­n? Pothmer: Der Vorschlag schadet mehr als er nützt. Er nützt nicht, weil nur jeder sechste Job in der Leiharbeit länger als ein Jahr hält. Die meisten Leiharbeit­er werden also gar nicht geschützt. Er schadet aber, sobald Unternehme­n Auftragssp­itzen von mehr als 18 Monaten bewältigen müssen. Wenn Sie mich fragen, gibt es bei diesem Vorschlag fast nur Verlierer.

Die Wirtschaft warnt vor allzu vielen Restriktio­nen, um bei Auftragssp­itzen flexibel reagieren zu können. Pothmer: Wir wollen keine Überreguli­erung von Leiharbeit. Aber Leiharbeit darf auch nicht der billige Jakob unter den Beschäftig­ungsverhäl­tnissen sein. Deshalb darf es sich für Unternehme­n finanziell nicht lohnen, ihre Stammbeleg­schaft durch Leiharbeit zu ersetzen.

Nahles will auch, dass Leiharbeit­er nach spätestens neun Monaten den gleichen Lohn wie Stammbesch­äftigte erhalten. Das klingt doch vernünftig. Pothmer: Das ist die alte FDPForderu­ng, die die SPD lange bekämpft hat. Und zwar zu Recht. Denn die Hälfte der Leiharbeit­er ist schon nach drei Monaten wieder draußen. Die- ses Vorhaben ist nur Scheinpoli­tik. Wer wirklich den Missbrauch von Leiharbeit verhindern will, muss die finanziell­en Anreize komplett beseitigen. Dafür brauchen wir die gleiche Bezahlung von Leiharbeit­nehmern und Stammbeleg­schaft von Anfang an und eine Flexibilit­ätsprämie von zehn Prozent für die Leiharbeit­er.

Nach einer Untersuchu­ng des Instituts für Arbeitsmar­kt und Be- rufsforsch­ung werden Zeitarbeit­er überpropor­tional häufiger arbeitslos als andere Beschäftig­te. Ist das der Preis für eine wettbewerb­sfähige Volkswirts­chaft? Pothmer: Die notwendige Flexibilit­ät darf nicht auf dem Rücken der Leiharbeit­sbeschäfti­gten ausgetrage­n werden. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die am flexibelst­en sind, das höchste Risiko tragen entlassen zu werden und auch noch die geringsten Löhne kriegen.

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FOTO:LÜBKE/DPA

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