Gegen das „Spar-Dogma“
„Saarbrücker Hefte“mit Schwerpunkt Hochschulpolitik – Termin am Dienstag
Welche Auswirkungen hat die Sparpolitik der Landesregierung auf die Entwicklung der Saar-Uni? Der Frage geht die aktuelle Ausgabe der „Saarbrücker Hefte“nach. Die Antworten sind ernüchternd.
Saarbrücken. Als die CDU/SPDLandesregierung vor gut einem Jahr ihre Vorstellungen von der künftigen Entwicklung der saarländischen Hochschulen offen legte, erhob sich ein Proteststurm. Professoren und Studenten zogen vor den Landtag, demonstrierten lautstark gegen die angekündigten Sparmaßnahmen. Mittlerweile zeichnet sich ab, das die Sparlast aus verschiedenen Gründen wohl etwas geringer ausfallen wird, als ursprünglich befürchtet. An den Konsequenzen ändert dies jedoch wenig: Fächer werden abgewickelt, die Zahl der Fakultäten verringert, es droht ein Qualitätsverlust in der Lehre und ein deutlicher Rückgang der Studentenzahlen. Trotzdem scheint das Thema merkwürdigerweise aus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt zu sein. Von Protest-Aktionen ist auch nichts mehr zu hören.
Die Redaktion der „Saarbrücker Hefte“dagegen hält die Kritik am Kurs der Landesregierung mit einem Themen-Schwerpunkt in der aktuellen Ausgabe wach. In einem lesenswerten Interview lässt sie einen äußerst unbequemen Kritiker der Sparpolitik zu Wort kommen: den Sportökonomen und –soziologen Eike Emrich. Emrich ist unbequem, weil er – wissenschaftlich fundiert – die politischen Akteure mit ökonomischen Argumenten kritisiert, in ihrem Handeln einen Widerspruch zu eigenen Zielsetzungen sieht. Schon jetzt, sagt Emrich, erst recht aber in der Zukunft, führten die Sparmaßnah- men zu negativen wirtschaftlichen Effekten im Land. Punkt für Punkt begründet Emrich seine These im Gespräch mit Herbert Temmes, erläutert, warum eine attraktive Universität gerade für das Saarland wichtig ist, und welche Negativ-Spirale nun droht.
Welch tiefgreifende Verunsicherung bereits jetzt im wissenschaftlichen Mittelbau herrscht, beleuchtet Julian Bernstein in einer Reportage. Er sprach mit jungen Forschern, die für sich keine Zukunft mehr im Saarland sehen und stellt dar, wie sich das Land bildungspolitisch immer mehr isoliert, während etwa BadenWürttemberg, aber auch Rheinland-Pfalz eigene Unis stärken.
Ein anderes Thema, das vor viel längerer Zeit aus dem Fokus der Öffentlichkeit geriet, greift Joseph Reindl auf: die Industriekultur. In einem Essay beklagt er deren „Niedergang“: Ob die Völklinger Hütte (ein „Event-Eldora- do“), Landsweiler-Reden (der „Ballermann der Industriekultur“) oder der „Mischmasch aus Kultur und Kommerz“rund um die Alte Schmelz St. Ingbert: Für Reindl ist „etwas gründlich schief gelaufen“mit der Pflege altindustrieller Hinterlassenschaften“. Das „anspruchsvolle Anliegen Industriekultur“sei nunmehr zur „Burleske“verkommen. Reindl fordert eine „Agenda der geläuterten Industriekultur“.
Auch wenn man sich im Text ein bisschen weniger Marx-Exegese und etwas konkretere Antworten auf die Frage gewünscht hätte, wie eine solche Agenda genau aussehen könnte, gibt Reindl doch die berechtigte Anregung, die eigentliche Programmatik der Industriekultur ins Auge zu fassen: „die Feier der Industrie als (…) Entfaltung der menschlichen Wesenskräfte und ihre Kritik als verselbstständigte Macht, die ihre Erzeuger unterjocht.“jkl