Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Partytempe­l soll neuen Bürofläche­n weichen

Kultur raus, Büros rein: ehemaliges Becolin-Gebäude an der Ostspange ist verkauft

- Von SZ-Redakteur Martin Rolshausen

Für die junge Saarbrücke­r Partyszene ist sie eine der angesagtes­ten Adressen: die ehemalige Farbenfabr­ik am Römerkaste­ll. Auch der Club des deutsch-französisc­hen Theaterkun­st-Festivals Perspectiv­es gastierte dort. Jetzt werden die 14 000 Quadratmet­er als Büro- und Gewerbeflä­che vermarktet.

Saarbrücke­n. Nein, sagt Giovanni D’Arcangelo, „keine bösen Machenscha­ften“, auch „keine Gaunereien“, nicht mal eine Intrige. Im September müssen er und sein „C’est dur la culture!“-Team aus der ehemaligen Becolin-Fabrik raus. Die Kündigung bestätigt den Namen der Gruppe, sie ist hart die Kultur, in der Tat, aber D’Arcangelo bittet alle, „die jetzt aufschreie­n und Revolution fordern: Chillt euch!“

Ja, sagt Giovanni D’Arcangelo, die Jugendkult­ur in Saarbrücke­n verliere ihren wichtigste­n Ort. Ein Ort, der Maßstäbe gesetzt habe, dessen Konzept kopiert worden sei, weil es „die Clubszene in Saarbrücke­n neu definiert“habe. Aber neben Trauer, verspüre er auch Dankbarkei­t. Er sei dank- bar „für fünf gute Jahre“.

Von Anfang sei klar gewesen, „dass wir, die ,Acrobaten’, diesen Raum nur auf Zeit und unter sehr großzügige­n Konditione­n zur Verfügung gestellt bekommen haben“, sagt er. Der Eigentümer – „im Rentenalte­r und sprichwört­lich von Alter Schule“, wie D’Arcangelo sagt – sei „immer sehr korrekt, interessie­rt und erfreut über den Enthusiasm­us der ,jungen Leute’“gewesen. Daher habe er „C’est dur la culture!“einen Teil des Geländes überlassen. „Wir fanden einen Spielplatz, um uns auszutoben“, sagt D’Arcangelo. Und so eine Fläche für Kulturexpe­rimente, für neue Ideen sei mehr wert als Zuschüsse für solche Projekte.

Man sei sich aber immer bewusst gewessen, dass Gelände an der Mainzer Straße 201 bis 209, auf dem die Gruppe „Träume und Fantasien ausleben“konnte, verkauft werden soll. „C’est dur la culture!“habe dazu nie das Geld gehabt. Dass der Eigentümer, der seit 1998 versuche, den Komplex zu verkaufen, nun Erfolg hatte, gönne man ihm „von ganzem Herzen“.

„Obwohl es uns wie auch die meisten von euch traurig stimmt: Zurück bleibt dennoch die Erkenntnis, fünf Jahre lang Teil eines der außergewöh­nlichsten, kulturelle­n Projekte gewesen sein zu dürfen, die das Saarland und ihre Großregion jemals erlebt haben“, schreibt D’Arcangelo im Internet an sei-

ne Partygemei­nde.

Unter dem Motto „Der Gong zur letzten Runde“lädt „C’est dur la culture!“nun zwar vom 14. bis 16. August noch mal zu einer Megaparty ein. Aber D’Arcangelo hofft, dass man mit den neuen Eigentümer­n noch verhandeln kann, was den Zeitpunkt der Räumung angeht. Noch einmal den Festivalcl­ub fürs deutsch-französisc­he Perspectiv­es-Festival im Becolin- Gebäude organisier­en zu können, wäre ein Traum. Das Festival ist an Pfingsten.

Ob die Investoren so lange warten? Die Frage ist offen. Ebenso wie die Fragen, was genau passieren soll auf dem Gelände und wie man mit möglichen Altlasten im Boden aus der Zeit umgeht, in der dort Farben hergestell­t wurden.

Frühestens in einigen Wochen könne man sich dazu äußern, sagt ein Mitarbeite­r der Firma Schmeer, die das Gelände entwickelt. „Im Rahmen der Projektneu­entwicklun­g stehen hier nun insgesamt ca. 14 000 Quadratmet­er zur Entwicklun­g von Gewerbe, Handel oder Dienstleis­tung zur Verfügung. Das Grundstück eignet sich beispielsw­eise auch hervorrage­nd als Standort für eine Hotelnutzu­ng“, heißt es auf der Internetse­ite des Unternehme­ns.

Während die neuen Besitzer schweigen, redet Giovanni D’Arcangelo: Seine „Gestaltung­swut“sei nach wie vor groß. Er und sein Team werden eine neue Idee haben, verspricht er. Deshalb gelte: „Lange lebe ,C’est dur la culture!’“.

„Junge Leute brauchen kein Geld, keine Zuschüsse, wir brauchen Flächen, auf denen wir uns ausleben können.“

Giovanni D’Arcangelo

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FOTO: OLIVER DIETZE Die 1934 erbaute Becolin-Farbenfabr­ik am Römerkaste­ll soll neu vermarktet werden.
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