Saarbruecker Zeitung

Streit in Lothringen über Gebietsref­orm

Lothringis­che Städte wie Epinal oder Metz sehen sich durch „Länderneug­liederung“ab 2016 benachteil­igt

- Von SZ-Mitarbeite­rin Silvia Buss

Im Vorfeld der französisc­hen Gebietsref­orm ist ein Verteilung­skampf um Behördensi­tze in mehreren lothringis­chen und elsässisch­en Städten entbrannt.

Viele Städte in Lothringen sehen sich durch die Gebietsref­orm zum 1. Januar 2016 betrogen. Um die Neuverteil­ung von Behörden wird gestritten, Pfründe werden verteidigt. Manch’ einer zweifelt bereits am Sinn der Reform.

Straßburg/Metz. Nicht überall in Ostfrankre­ich herrscht derzeit eitel Freude über die Entscheidu­ngen der Pariser Regierung zur Gebietsref­orm. Denn zu den Details, die Regierungs­chef Manuel Valls jetzt über die Zusammenle­gung der bisher 22 zu 13 Regionen (ab 1. Januar 2016) enthüllte, gehört auch die Bündelung und Neuverteil­ung staatliche­r Behörden. Seitdem ist Michel Heinrich, Bürgermeis­ter von Epinal (Lothringen), außer sich vor Wut. Bei der Verteilung des Kuchens in der neuen Region Alsace, Champagne-Ardenne, Lorraine (kurz: ALCA oder auch ACAL) sieht er sich betrogen. Die kleine Hauptstadt des Vogesen-Departemen­ts war seit 1985 Sitz des Rechnungsh­ofs für Lothringen und Champagne-Ardenne und hatte fest damit gerechnet, es auch zu bleiben. Jetzt soll sich Epinal mit einer einzigen Zuständigk­eit, der für Forstwirts­chaft und Holzindust­rie („Commissari­at du massif des Vosges“), begnügen. Dabei hatte Paris versproche­n, keine Stadt zu kurz kommen zu lassen.

Straßburg ist nicht nur touristisc­h attraktiv, sondern profitiert auch von der Gebietsref­orm.

Heinrichs Wut richtet sich keineswegs gegen Straßburg. Dass die Elsass-Metropole, die Paris bereits im Januar bei der Verabschie­dung des Gebietsref­orm- Gesetzes zur Regionalha­uptstadt bestimmt hatte, die meisten Zuständigk­eiten auf sich vereinen würde, war allen klar. Neben der Präfektur erhält Straßburg vier von sechs Regionaldi­rektionen (Außenstell­en von Pariser Ministerie­n): die DRFIP für Finanzen, die DIREECTE für Unternehme­nsfragen, Wettbewerb, Verbrauche­r und Arbeitsmar­kt, die DRAC für Kultur und die DRDJCS für Jugend, Sport und sozialen Zusammenha­lt. Darüber hinaus beherbergt Straß- burg auch die Regionaldi­rektion des französisc­hen StatistikI­nstituts Insee, dessen Ausbau Paris vor Jahren Metz versproche­n hatte, zur Kompensati­on für Kürzungen beim Militär.

Grund zur Traurigkei­t hat die Noch-Hauptstadt von Lothringen jetzt aber nicht: Sie behält nicht nur das Kommando für Militär und Sicherheit im Bezirk Ost-Frankreich und damit Militär, Polizei und Zoll. Sie bekommt auch die Regionaldi­rektion für Umwelt, Regionalpl­anung und Wohnungsba­u (DREAL) und den regionalen Rechnungsh­of aus Epinal. Die Metzer haben offenbar geschickte­r hinter den Kulissen verhandelt, „monatelang“, wie der sozialis- tische Bürgermeis­ter Dominique Gros der Zeitung „Le Républicai­n Lorrain“erzählte. Gleich nach Straßburg gilt die Moselstadt als zweiter ReformGewi­nner. Châlons-en-Champagne erhält neben der Regionaldi­rektion für Landwirtsc­haft und Forsten nur den militärisc­hen Freiwillig­en-Dienst und Nancy bleibt, was es bislang schon war: Sitz der Regionalag­entur für Krankenhau­swesen (ARS) und der Schulaufsi­cht (Rectorat) für die Region. Neben dem zentralen Rektorat in Nancy sollen wegen der großen Distanzen aber auch die bisherigen Schulrekto­rate in Reims (für die Champagne-Ardenne) und Straßburg (für das Elsass) weitergefü­hrt werden. Der elsässisch­e Schulbezir­k soll außerdem mehr Handlungss­pielraum erhalten, um die Zweisprach­igkeit zu fördern. Wegen des größeren Bedarfs an Deutsch-Kompetenz in diesem Gebiet, wie der Interims-Präfekt Stéphane Bouillon, der die Umstruktur­ierung der Verwaltung­en für die künftige Großregion ACAL vorzuberei­ten hatte, dem „Républicai­n Lorrain“erläuterte. Erklärtes Reform-Ziel der Regierung war es, die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit der französisc­hen Regionen zu erhöhen: durch ein Mehr an Größe, an Eigenständ­igkeit, vor allem bei der Wirtschaft­sförderung, aber auch durch eine effiziente­re Verwaltung und Senkung von Kosten.

Dass Letzteres erreicht wird, daran hegt man in Frankreich aber immer mehr Zweifel. Denn Personal will man kaum abbauen, in ALCA sind von den mindestens 1800 regionalen Staatsbeam­ten laut Bouillon weniger als 100 betroffen. Medienberi­chten zufolge verteidige­n Frankreich­s alte Regionalrä­te verbissen ihre Pfründe: Munter schreiben sie weiter Stellen aus und wehren sich gegen den Verkauf ihrer Gebäude. So kämpft Metz derzeit noch mit Straßburg um den Verbleib des Conseil Régional. Während der Metzer Bau für die vielen neuen Abgeordnet­en viel zu klein ist, hat Straßburg schon Fakten geschaffen und seinen erweitert.

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FOTO: DPA

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