Wenn Hipos Franzosen ignorieren
Parksünder aus Frankreich werden in Saarbrücken oft nicht verfolgt
Wegen einer EU-Richtlinie wurden in Saarbrücken Parksünden ausländischer Fahrer nicht mehr geahndet. Die Daten der Fahrzeughalter dürfen nicht per Polizeicomputer abgefragt werden.
Saarbrücken. Tatort Saarbrücken City. Fünf Autos stehen in einer Seitenstraße im Halteverbot. Ein Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes ist schon bei der Arbeit, nimmt die Kennzeichen von vier Falschparkern auf, dokumentiert die Lage mit Handyfotos und hängt Verwarnungszettel an die Windschutzscheiben. Einen Parksünder ignoriert der Hilfspolizist (Hipo) aber, lässt ihn links liegen. Das Fahrzeug ist in Frankreich zugelassen. „Ich mache doch keine Arbeit für die Katz“, sagt der Mann im blauen Hemd. Der Kurzkommentar des städtischen Ordnungshüters hat einen konkreten Hintergrund. Beim Ordnungsamt der Stadt existierte seit Ende Juni eine interne Verfügung der Amtsleiterin mit der Überschrift EU-Richtlinie 2011/ 82. Darin heißt es ausdrücklich, dass wegen dieser Richtlinie ab dem 1. Juli 2015 „Abfragen ausländischer Halterdaten zur Überwachung des ruhenden Verkehrs nicht mehr zulässig sind“. Thomas Blug, Pressesprecher der Stadt, bestätigte auf Nachfrage unserer Zeitung die Existenz der Dienstanweisung. Demnach durften keine Daten ausländischer Fahrzeugbesitzer mehr über den Polizeicomputer und das europäische Fahrzeugund Führerscheininformationssystem abgefragt werden. Als Grund dafür wird die EU-Richtlinie genannt. Darin werden die Verkehrsdelikte aufgelistet, für die grenzüberschreitender Datenaustausch erlaubt ist. Verstöße im ruhenden Verkehr sind nicht ausdrücklich aufgeführt. Weil eben Parksünder in dieser Aufzählung fehlen, sind Experten im Ordnungsamt und beim Landesverwaltungsamt der Auffassung, dass bei ausländischen Falschparkern der Polizeicomputer nicht gefragt werden darf.
Dies hatte zur Konsequenz, dass etwa im Juli in Saarbrücken kaum einer der 1143 gezählten Parksünder aus Frankreich oder der 70 Luxemburger, um nur zwei von 19 Nationen zu nennen, tatsächlich geahndet wurden. Eine Ausnahme gab es nur, wenn der Hipo eher zufällig vor Ort die Daten bei dem Fahrer erheben konnte.
Obwohl es in der Ordnungsamts-Verfügung, die unserer Zeitung vorliegt, heißt, die Anweisung erfolge „in Abstimmung mit der Amtsleitung und der Verwaltungsspitze“betont Blug mit Nachdruck, dass weder Oberbürgermeisterin Charlotte Britz noch Bürgermeister Ralf Latz oder ein Dezernent überhaupt davon Kenntnis hatten. Erst durch SZ-Recherchen sei man darauf aufmerksam geworden. In einer eilig anberaumten Krisensitzung hat OB Britz ein Machtwort gesprochen. Es wurde daraufhin angeordnet, dass ausländische Verkehrssünder weiter von der Stadt mit Beträgen zwischen zehn und 35 Euro zur Kasse gebeten werden sollen. Verwaltungsdezernent Jürgen Wohlfahrt steht sogar auf dem Standpunkt: Die viel zitierte EU-Richtlinie habe „keine Relevanz für uns“. In den eigenen Ordnungsamtsstuben waren leitende Mitarbeiter nicht ganz Wohlfahrts Meinung.
17 000 Falschparker aus Frankreich brachten der klammen Stadt im letzten Jahr rund 277 000 Euro in die Kassen. 1200 Luxemburger überwiesen immerhin 19 000 Euro.
Reagierten bislang die von der Stadt Saarbrücken zur Zahlung aufgeforderten Falschparker aus Frankreich oder anderen Staaten nicht, gab das Rathaus die Vorgänge an die Zentrale Bußgeldbehörde beim Landesverwaltungsamt ab. Auch die dem Innenministerium unterstellte Behörde gibt sich jetzt offenbar mit Hinweis auf die EU-Richtlinie geschlagen. Die Halterabfrage per Polizeicomputer sei nicht zulässig. Eine Ahndung der von Ausländern verursachten Parkverstößen erfolge nur dann, wenn Halterdaten „unmittelbar vor Ort von der betroffenen Person oder in anderer gesetzeskonformer Weise erlangt wurden“.
Dies hat zur Konsequenz, dass der Großteil der von der Stadt Saarbrücken abgegebenen Fälle eingestellt wurde. Seit Januar 2015 schickte die Landeshauptstadt etwa 1812 Fälle an die zentrale Bußgeldstelle, die davon 1329 einstellte. Dies sind mehr Einstellungen als im gesamten Jahr 2014 (insgesamt: 1231). Nur 90 Fälle wurden abgeschlossen, 393 sind noch unerledigt. Ande- re Kommunen gaben weitere 158 Fälle ab, von denen 109 eingestellt und 36 abgeschlossen wurden. Der Saarbrücker Hipo notiert und fotografiert jetzt nach dem Machtwort seiner Oberbürgermeisterin wieder die Falschparker aus dem Ausland. Die Daten werden später auch erfasst, die Polizei muss aber die städtischen Anfragen nach Halterdaten weiter ab-