Nur kein Öl ins Feuer gießen
Nach der Ablehnung des Schlichterspruchs im Kita-Streit hüllt sich die Politik in Schweigen – Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gibt sich dagegen weiter kämpferisch
Der Kita-Tarifstreit war nur scheinbar zu Ende. Nachdem das Ergebnis der Schlichter an der Gewerkschaftsbasis durchgefallen ist, muss Verdi-Chef Bsirske für ein besseres Angebot kämpfen.
Berlin. Nach der Ablehnung des tariflichen Schlichterspruchs durch die gewerkschaftlich organisierten Kita-Beschäftigten stehen die Zeichen erneut auf Streik. Führende Bundespolitiker blieben dazu gestern auffällig still, nachdem sie in der Vergangenheit noch eine spürbare „Aufwertung“der Erziehungstätigkeit im Land gefordert hatten.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) lehnte eine Stellungnahme auf Nachfrage ab. Nur kein Öl ins Feuer gießen, lautete die Devise. Als die Kita-Beschäftigten Anfang Mai in einen vierwöchigen Streik traten, waren sie von Schwesig noch offen dazu ermuntert worden: „Wir vertrauen ihnen unsere Kinder an, sie betreuen und bilden unsere Kinder von klein auf und tragen eine große Verantwortung“, sagte Schwesig damals. „Deshalb müssen sie für ihre Leistung auch entsprechend bezahlt werden.“
Schwesigs Parteichef Sigmar Gabriel wurde kurz drauf noch deutlicher und sah den Bund in der Pflicht: Er müsse die Aufgaben, die er den Kommunen aufdrücke, mittragen. Doch gestern war auch vom Obergenossen nichts zu hören. Dafür sprachen die kommunalen Spitzenvertreter Klartext. Der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeit- geberverbände, Thomas Böhle, lehnte weitere Zugeständnisse an die Gewerkschaftsseite rundweg ab: „Ich sehe keine Luft nach
Familienministerin Schwesig wollte sich gestern zu möglichen neuen Streiks nicht äußern.
oben.“Und Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, warnte, mehr als die in der Schlichtung ausgehandelten Lohnzuwächse um durchschnittlich drei Prozent könnten sich die Kommunen nicht leisten.
Für Verdi-Chef Frank Bsirske ist das eine höchst unkomfortable Situation. Nicht zuletzt von der Politik ermuntert, hatte er enorme Erwartungen bei der Basis geweckt. Ihre Vorstellungen von einer „Aufwertung“des Erzieherberufs waren in die Forderung nach höheren Eingruppierungen gegossen worden, die im Schnitt Gehaltssprünge von zehn Prozent, in der Spitze sogar um 17 Prozent bedeutet hätten. Die Leiterin einer Kita mit bis zu 39 Plätzen wäre nach achtjähriger Tätigkeit demnach auf ein Monats- brutto von 3502 Euro gekommen. Jetzt verdient sie 2985 Euro. Gemessen daran war der nun abgelehnte Schlichterspruch tatsächlich äußerst dürftig. Die meisten Erzieher hätten nur ein mageres Plus von 30 Euro bekommen. Ob daraus in weiteren Verhandlungen spürbar mehr werden kann, ist allerdings zweifelhaft. Schließlich lastet die Flüchtlingswelle immer stärker auf den kommunalen Etats. Zwar weiß auch Bsirske um dieses Problem. Um den Draht zur Basis nicht zu verlieren, bekräftigte er aber gestern die Bereitschaft zu neuen Streiks. Der Schlichterspruch reiche nicht aus, sagte Bsirske. Dabei hatte er ihn zunächst vehement befürwortet. Dem Vernehmen nach will die Tarifkommission von Verdi bei ihrer Sitzung heute beschließen, dass neue Streiks un- ausweichlich sind, falls die Arbeitgeberseite nicht zu wesentlichen Verbesserungen des Schlichterspruchs bereit ist. Wenn die Arbeitgeber nicht einlenkten, müsse es „mehr Stress“geben, sagte Bsirske. Die Nagelprobe dafür ist der Donnerstag, an dem die nächsten Tarifgespräche stattfinden. Ein möglicher Arbeitskampf soll aber erst in der zweiten Oktoberhälfte beginnen. Nur die Linkspartei hatte übrigens einen Vorschlag parat, wie man eine „Aufwertung“der Erzieher finanzieren könnte. Der Bund solle die Kommunen mit jener Milliarde Euro unterstützen, die durch das Aus für das Betreuungsgeld frei werden.