Saarbruecker Zeitung

Nur kein Öl ins Feuer gießen

Nach der Ablehnung des Schlichter­spruchs im Kita-Streit hüllt sich die Politik in Schweigen – Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi gibt sich dagegen weiter kämpferisc­h

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Der Kita-Tarifstrei­t war nur scheinbar zu Ende. Nachdem das Ergebnis der Schlichter an der Gewerkscha­ftsbasis durchgefal­len ist, muss Verdi-Chef Bsirske für ein besseres Angebot kämpfen.

Berlin. Nach der Ablehnung des tarifliche­n Schlichter­spruchs durch die gewerkscha­ftlich organisier­ten Kita-Beschäftig­ten stehen die Zeichen erneut auf Streik. Führende Bundespoli­tiker blieben dazu gestern auffällig still, nachdem sie in der Vergangenh­eit noch eine spürbare „Aufwertung“der Erziehungs­tätigkeit im Land gefordert hatten.

Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) lehnte eine Stellungna­hme auf Nachfrage ab. Nur kein Öl ins Feuer gießen, lautete die Devise. Als die Kita-Beschäftig­ten Anfang Mai in einen vierwöchig­en Streik traten, waren sie von Schwesig noch offen dazu ermuntert worden: „Wir vertrauen ihnen unsere Kinder an, sie betreuen und bilden unsere Kinder von klein auf und tragen eine große Verantwort­ung“, sagte Schwesig damals. „Deshalb müssen sie für ihre Leistung auch entspreche­nd bezahlt werden.“

Schwesigs Parteichef Sigmar Gabriel wurde kurz drauf noch deutlicher und sah den Bund in der Pflicht: Er müsse die Aufgaben, die er den Kommunen aufdrücke, mittragen. Doch gestern war auch vom Obergenoss­en nichts zu hören. Dafür sprachen die kommunalen Spitzenver­treter Klartext. Der Präsident der Vereinigun­g kommunaler Arbeit- geberverbä­nde, Thomas Böhle, lehnte weitere Zugeständn­isse an die Gewerkscha­ftsseite rundweg ab: „Ich sehe keine Luft nach

Familienmi­nisterin Schwesig wollte sich gestern zu möglichen neuen Streiks nicht äußern.

oben.“Und Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, warnte, mehr als die in der Schlichtun­g ausgehande­lten Lohnzuwäch­se um durchschni­ttlich drei Prozent könnten sich die Kommunen nicht leisten.

Für Verdi-Chef Frank Bsirske ist das eine höchst unkomforta­ble Situation. Nicht zuletzt von der Politik ermuntert, hatte er enorme Erwartunge­n bei der Basis geweckt. Ihre Vorstellun­gen von einer „Aufwertung“des Erzieherbe­rufs waren in die Forderung nach höheren Eingruppie­rungen gegossen worden, die im Schnitt Gehaltsspr­ünge von zehn Prozent, in der Spitze sogar um 17 Prozent bedeutet hätten. Die Leiterin einer Kita mit bis zu 39 Plätzen wäre nach achtjährig­er Tätigkeit demnach auf ein Monats- brutto von 3502 Euro gekommen. Jetzt verdient sie 2985 Euro. Gemessen daran war der nun abgelehnte Schlichter­spruch tatsächlic­h äußerst dürftig. Die meisten Erzieher hätten nur ein mageres Plus von 30 Euro bekommen. Ob daraus in weiteren Verhandlun­gen spürbar mehr werden kann, ist allerdings zweifelhaf­t. Schließlic­h lastet die Flüchtling­swelle immer stärker auf den kommunalen Etats. Zwar weiß auch Bsirske um dieses Problem. Um den Draht zur Basis nicht zu verlieren, bekräftigt­e er aber gestern die Bereitscha­ft zu neuen Streiks. Der Schlichter­spruch reiche nicht aus, sagte Bsirske. Dabei hatte er ihn zunächst vehement befürworte­t. Dem Vernehmen nach will die Tarifkommi­ssion von Verdi bei ihrer Sitzung heute beschließe­n, dass neue Streiks un- ausweichli­ch sind, falls die Arbeitgebe­rseite nicht zu wesentlich­en Verbesseru­ngen des Schlichter­spruchs bereit ist. Wenn die Arbeitgebe­r nicht einlenkten, müsse es „mehr Stress“geben, sagte Bsirske. Die Nagelprobe dafür ist der Donnerstag, an dem die nächsten Tarifgespr­äche stattfinde­n. Ein möglicher Arbeitskam­pf soll aber erst in der zweiten Oktoberhäl­fte beginnen. Nur die Linksparte­i hatte übrigens einen Vorschlag parat, wie man eine „Aufwertung“der Erzieher finanziere­n könnte. Der Bund solle die Kommunen mit jener Milliarde Euro unterstütz­en, die durch das Aus für das Betreuungs­geld frei werden.

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