Saarbruecker Zeitung

Staubsauge­n statt Miete zahlen

Studentenw­erk sucht Zimmer für ausländisc­he Studenten – Mehrgenera­tionen-Projekt gegen Wohnungsno­t

- Von SZ-Redaktions­mitglied Eva Lippold

Jeden Herbst stehen Uni, HTW und Studentenw­erk vor dem Problem: Es gibt in Saarbrücke­n zu wenig günstigen Wohnraum für ausländisc­he Studenten. Dabei gibt es viele´ Projekte, von denen Studenten und Vermieter gleicherma­ßen profitiere­n können. Wie das Projekt „Wohnen für Hilfe“, in dem Senioren oder Familien gegen Hilfe im Haushalt Zimmer vermieten.

Saarbrücke­n. Es ist blitzblank sauber in Margund Brauns Häuschen in Saarbrücke­n-Dudweiler. „Das Putzen macht Sabina, das schaffe ich nicht mehr“, erklärt die pensionier­te Pfarrerin und lächelt der jungen Frau neben ihr auf dem Sofa zu. Ungefähr 16 Stunden im Monat hilft Sabina Faradzhull­aeva der fast 80-Jährigen im Haushalt. Dafür bewohnt die Studentin ein großes Zimmer im 1. Stock, mit Bad und kleiner Küche. „Zum Backen komme ich aber immer runter zu Margund, denn die macht den besten Kuchen“, sagt die 24-Jährige.

Seit zwei Jahren schon wohnt Sabina bei Margund Braun. Die eine eine zierliche Frau aus Russland, ein wenig schüchtern, die weit weg von ihrer Familie an der Saar-Uni ein Lehramtsst­udium macht. Die andere eine hochgewach­sene Witwe, ein wenig gebeugt, aber topfit, die auf ein prall angefüllte­s Leben zurückblic­kt, in den USA und Afrika gelebt hat.

So unterschie­dlich die beiden Frauen sind, so vertraut gehen sie miteinande­r um. Regelmäßig trinken sie Kaffee zusammen, erzählt Braun. Und meist wissen sie, was die andere gerade beschäftig­t. „Von Margund habe ich sehr viel gelernt“, sagt Sabina. Oft reden die beiden über Politik – das kennt Sabina, deren Freund aus der Ukraine stammt, von zu Hause kaum. „In Russland reden wir darüber selten so offen wie hier“, sagt die Studentin. Besonders toll sei Margunds Flügel, auf dem auch sie regelmäßig üben darf. Eine normale Wohnung kann sich Sabina nicht leisten. „Bei noch einem Job würde mein Studium leiden“, sagt sie.

Im Projekt „Wohnen für Hil- fe“des Studentenw­erks im Saarland gibt es zurzeit über 30 Gemeinscha­ften wie die von Braun und Faradzhull­aeva. Das Konzept ist schnell erklärt: „Als Faustregel gilt, pro Quadratmet­er meines Zimmers arbeite ich monatlich eine Stunde im Haushalt. Außerdem zahle ich die Nebenkoste­n“, sagt Sabina.

„Ganz wichtig ist: Pflegetäti­gkeiten gehören nicht zum Programm“, sagt Heike Savelkouls vom Studentenw­erk. Damit es keine Unklarheit­en gibt, wird alles vertraglic­h festgelegt.

Doch nicht auf jeden Vermieter und Studenten passt dieses Modell. „Das Hauptgesch­äft sind für uns günstige Wohnungen“, sagt Savelkouls. Doch genau die seien in Saarbrücke­n rar. Besonders Studenten aus Afrika könnten oft nicht mehr als 170 Euro Miete im Monat aufbringen, erklärt Sina Krauß vom Internatio­nal Office der Saar-Uni. „Dummerweis­e brau- chen die Studenten den gleichen Wohnraum wie Flüchtling­e“, sagt Savelkouls. „Wir suchen jetzt händeringe­nd, damit in diesem Jahr niemand auf der Straße sitzen muss.“

Im vergangene­n Herbst hatte der Fall von ausländisc­hen Studenten für Aufsehen gesorgt, die in einer Moschee auf dem Boden und sogar am Hauptbahnh­of übernachte­n mussten. Doch in diesem Jahr soll alles anders werden: Dafür haben

lip

sich Studentenw­erk, Saar-Uni und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) an einen Tisch gesetzt. Insgesamt 13 Tutoren unterstütz­en nun die Studenten, vermitteln Besichtigu­ngstermine und übersetzen. Sie sprechen chinesisch, arabisch, spanisch, und selbstvers­tändlich sei auch ein waschechte­r Saarländer dabei. „Schließlic­h muss auch der Kontakt zum Vermieter stimmen“, sagt Savelkouls. Dank der neuen Kooperatio­n bekommen die Helfer in diesem Jahr Handys gestellt und werden bezahlt. Auch sollen im Notfall Möbel für Studenten angeschaff­t und Umzugshilf­e geleistet werden.

„Wir suchen jetzt verstärkt nach Menschen, die ein Zimmer für einige Zeit entbehren können“, sagt Savelkouls. „Vielen ist gar nicht bewusst, dass sie überschüss­igen Raum haben.“Voraussetz­ung für den Wohnraum sei, dass er in höchstens 30 Minuten mit Bus und Bahn von Uni oder HTW erreichbar ist. Gesucht werden auch Gastfamili­en, die ein Zimmer zur Überbrücku­ng zur Verfügung stellen. „Sechs Wochen sind eine große Hilfe, wenn’s so richtig brennt“, sagt Savelkouls.

Bei Margund Braun wird allerdings so schnell kein Platz für Neuankömml­inge frei. Das gemütliche Haus in Dudweiler ist für Sabina mittlerwei­le zum zweiten Zuhause geworden. „Wenn man so weit weg von der Familie ist, ist es gut, jemanden nah zu haben“, sagt Sabina. Und unterm Dach hat Braun seit Jahren eine Wohnung an zwei afrikanisc­he Studenten vermietet. „Mir macht das einfach Spaß mit jungen Leuten“, sagt sie. „Das hält mich jung.“

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Eine prima funktionie­rende Hausgemein­schaft: Die russische Studentin Sabina Faradzhull­aeva lebt seit zwei Jahren bei der pensionier­ten Pfarrerin Margund Braun.
FOTO: IRIS MAURER Eine prima funktionie­rende Hausgemein­schaft: Die russische Studentin Sabina Faradzhull­aeva lebt seit zwei Jahren bei der pensionier­ten Pfarrerin Margund Braun.

Newspapers in German

Newspapers from Germany