Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d muss sich auf 750 000 Flüchtling­e einstellen

De Maizière und Kramp-Karrenbaue­r wollen Zuzug vom Balkan beschränke­n

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Die Politik sucht händeringe­nd nach Strategien, um den Zustrom von Flüchtling­en ohne Chance auf Asyl einzudämme­n. Die Zahl der Asylbewerb­er dürfte aber weiter drastisch steigen.

Berlin/Saarbrücke­n. Deutschlan­d wird in diesem Jahr voraussich­tlich deutlich mehr Flüchtling­e aufnehmen, als es die Regierung bislang verkündet hat. Nach SZ-Informatio­nen rechnen Experten von Bund und Ländern für das Gesamtjahr mittlerwei­le mit 750 000 Asylbewerb­ern. Bislang ging das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e von 450 000 aus. Die Bundesregi­erung will wohl am Donnerstag eine neue Prognose vorstellen. Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) hat bereits erklärt, dass „die Zahl erheblich höher sein wird, als wir sie bisher vorhergesa­gt haben“.

Angesichts dieser Entwicklun­g will der Minister die Leistungen für Asylbewerb­er auf den Prüfstand stellen. Damit reagiert er vor allem auf die hohe Zahl von Flüchtling­en vom Balkan. Deutschlan­d könne die Leistungen nicht beliebig reduzieren, sagte de Maizière. „Aber wir können mehr Sachleistu­ngen machen, wir können uns das Taschengel­d genauer anschauen.“Er wies darauf hin, dass mehr als 40 Prozent der Asylbewerb­er in der ersten Jahreshälf­te aus den Westbalkan­ländern gekommen seien. Ihre Anträge hätten bis auf wenige Ausnahmen keinen Erfolg.

Unterstütz­ung erhält de Maizière von Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU). „Wir müssen alles vermeiden, was Anreize schafft“, sagte sie der SZ. Dazu zähle etwa, verstärkt auf Sachleistu­ngen zu setzen und die Geldleistu­ngen zu reduzieren. Das Taschengel­d von monatlich 143 Euro sei für Menschen vom Balkan, gemessen am Lebensstan­dard in ihren Heimatländ­ern, viel. Für sie lohne es sich daher finanziell, für ein paar Monate nach Deutschlan­d zu kommen. Die CDU-Landeschef­in forderte für Flüchtling­e vom

Balkan außerdem die „konzentrie­rte Aufnahme“in bundesweit vier „Aufnahme- und Rückführun­gseinricht­ungen“. Auch sollte es kurze Verfahren und bei Ablehnung des Asylantrag­s eine Abschiebun­g innerhalb von drei Monaten geben. Zuvor hatte bereits der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd gefordert: „Es sollte geprüft werden, ob das deutsche System zu viele Anreize bietet.“

Opposition­spolitiker reagierten empört auf den Vorstoß des Innenminis­ters. Die Linksparte­i hielt de Maizière vor, er bewege sich hart am Rande der

Verfassung. Von den Grünen kam der Vorwurf, der Minister schüre rechtsradi­kale Vorurteile. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund und der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband sprachen von Stimmungsm­ache. Angesichts der großen Zahl von Flüchtling­en sieht Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Deutschlan­d vor „riesigen Aufgaben“. Das Land sei zwar nicht überforder­t, aber Lösungen könnten nicht gefunden werden, „wenn wir im Normalmodu­s arbeiten“, sagte sie gestern Abend. > Seite A 2: Berichte, A 4: Meinung kir/dpa/SZ

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FOTO: DPA/LICOVSKI Dramatisch­e Szenen in der Kleinstadt Gevgelija in Mazedonien: Junge Menschen aus Syrien und Afghanista­n versuchen verzweifel­t, sich in einen Zug Richtung EU zu quetschen.
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A. KrampKarre­nbauer

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