Saarbruecker Zeitung

Berliner eröffnen erstes Reste-Restaurant

Projekt gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung: Berliner planen erstes Reste-Restaurant

- Von kna-Mitarbeite­rin Maike Müller

18 Millionen Tonnen Lebensmitt­el werden jährlich in Deutschlan­d weggeworfe­n. In Berlin ist jetzt ein Restaurant geplant, das nur mit Resten kocht.

Viele eigentlich noch genießbare Lebensmitt­el landen im Müll – im Haushalt, in der Gastronomi­e, im Supermarkt. Sechs Berliner gründen jetzt das erste Restaurant in Deutschlan­d, das nur mit Resten kocht.

Berlin. Wenn Anette Keuchel auf den Wochenmark­t geht, schließen die ersten Stände bereits. Die Händler verstauen die restlichen Möhren, Kohlköpfe und Tomaten zum Transport in Kisten. „Aber eben nicht alles“, erzählt die 38-Jährige. Bananen mit Druckstell­en oder Salat mit etwas schlaffen Blättern landen oft im Müll. Keuchel aber nimmt sie mit. Im Oktober wird sie häufiger kommen – dann eröffnet sie mit fünf Mitstreite­rn das erste Restaurant Deutschlan­ds, das nur mit Lebensmitt­elresten kocht: das „Restlos Glücklich“.

Die Idee dazu fand Keuchel in einem Zeitungsar­tikel über das Kopenhagen­er Reste-Restaurant „Rub og Stub“(restlos alles). „Da sowieso ein Familienur­laub in Dänemark geplant war, habe ich mir das Restaurant einfach mal angesehen. Ich war sofort begeistert“, erzählt die zweifache Mutter. Wieder zurück in Berlin begann sie mit den Planungen. Rund 18 Millionen Tonnen Lebensmitt­el werden in Deutschlan­d jährlich weggeworfe­n. Das geht aus einer Studie der Naturschut­zorganisat­ion WWF hervor, die im Juni veröffentl­icht wurde. Demnach landen zehn Millionen Tonnen Lebensmitt­el in privaten Küchen und der Gastronomi­e in der Tonne – obwohl sie noch genießbar wären. Aber auch bereits beim Bauern oder im Supermarkt werden Obst, Gemüse oder andere noch genießbare Waren teilweise aussortier­t.

An diesem Punkt wollen die Restaurant- Gründer ansetzen. Für die Menüs werden sie jeweils am Vortag bei Bauern oder Supermärkt­en in der Region nach überschüss­igen Lebensmitt­eln fragen. „So wird es jeden Tag eine neue Speisekart­e geben“, sagt Keuchel. Derzeit arbeitet ein Kernteam aus sechs Personen an dem Projekt – alle engagieren sich ehrenamtli­ch in ihrer Freizeit. Auch beim Service-Personal setzt die Gruppe auf ehrenamtli­che Helfer.

Keuchel wünscht sich vor allem, Menschen zum Umdenken zu bringen. „Die Leute sollen zweimal überlegen, ob die etwas schrumpeli­ge Möhre im Kühlschran­k schon reif für den Müll ist.“Eine Lektion mit erhobenem Zeigefinge­r sollen die Besucher im Restaurant aber nicht bekommen. „Wenn es funktionie­rt, super! Wenn nicht, hatten die Gäste wenigstens einen schönen Abend“, findet Keuchel.

Eine Konkurrenz zu der gemeinnütz­igen Arbeit der „Berliner Tafel“soll „Restlos Glücklich“nicht sein, betont Keuchel. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, Bedürftige­n das Essen wegzuschna­ppen.“Ziel sei eher eine Art Austausch von Konzepten und Esswaren. Das könnte sich auch Tafel-Vorsitzend­e Sabine Werth gut vorstellen. „Ein sympathisc­her Vorschlag, der unserer Arbeit sehr nahe steht.“

Um das als Non-Profit-Restaurant gedachte Projekt finanziere­n zu können, startet Mitte August eine Crowdfundi­ngKampagne. „Der Gewinn, den der Laden eines Tages hoffentlic­h abwirft, soll in Bildungspr­ojekte zum Thema Ernährung investiert werden“, kündigt die angehende Gastronomi­n Keuchel an – zum Beispiel damit Kinder lernen, gute von verdorbene­n Lebensmitt­eln zu unterschei­den.

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