Saarbruecker Zeitung

Protest macht (auf Dauer) keine Partei

Unzufriede­ne Wähler stärkten Linke und Piraten im Saarland, doch verlässlic­h sind sie nicht – SZ-Serie, Teil 3

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Im kommenden Jahr startet Deutschlan­d in eine Serie bedeutende­r Wahlen, die 2017 mit der Bundestags­wahl ihren Höhepunkt findet. Im Bund schienen die Mehrheiten zuletzt in Stein gemeißelt. Doch bei genauerem Hinsehen ist das Parteiensy­stem in Bewegung. SZ-Mitarbeite­r haben dafür bundesweit Beispiele gefunden. Heute: Linke und Piraten an der Saar.

Saarbrücke­n. Der 3. September 2008 muss für Oskar Lafontaine ein Tag besonderer Genugtuung gewesen sein. Damals sah eine Umfrage seine Linke im Saarland mit 24 Prozent zum ersten (und letzten) Mal knapp vor der SPD. Für kurze Zeit diskutiert­e die Republik, ob es nach der Landtagswa­hl 2009 einen Linken-Ministerpr­äsidenten an der Saar geben könne. Am Ende landete die Linke zwar hinter der SPD, aber 21,3 Prozent zeigten, dass es Lafontaine gelungen war, die Unzufriede­nen und Enttäuscht­en einzusamme­ln. Fast jeder zweite Arbeitslos­e und jeder dritte Arbeiter stimmte für die Linke, 40 Prozent ihrer Wähler waren zuvor Nichtwähle­r. In Völklingen wurde die Linke stärkste Partei.

Heute sitzt Lafontaine immer noch in seinem Abgeordnet­enbü- ro, der Ex-Ministerpr­äsident und Ex-SPD-Bundeschef ist inzwischen Opposition­sführer im kleinsten Landesparl­ament Deutschlan­ds. „Das ist natürlich gewöhnungs­bedürftig“, sagt er. Aber seine Fraktion setze eine ganze Reihe von Themen. Niemand aber würde heute noch auf die Idee kommen, über einen Ministerpr­äsidenten Lafontaine zu spekuliere­n. Bei der Landtags- wahl 2012 holte die Partei 16,1 Prozent. An diesem Ergebnis wolle man sich auch 2017 wieder orientiere­n, sagt Lafontaine. Die neueste Umfrage sieht die Linke nur noch bei zehn Prozent.

Auch bei einer anderen Partei ging es seit der letzten Wahl bergab. Die Piraten waren 2012 mit 7,4 Prozent in den Landtag eingezogen. Rund 40 Prozent ihrer Wähler kamen damals von der Linken oder aus dem Nichtwähle­r-Lager. Die meisten gaben den Piraten ihre Stimme, weil sie der Meinung waren, dass es in der Gesellscha­ft ungerecht zugeht – von wegen Netzpoliti­k! In der jüngsten Umfrage stehen die Piraten nur noch bei einem Prozent. Zu Landespart­eitagen kommen gerade noch 30 Mitglieder. Das Ende der Piraten im Landtag naht. „Man kann sagen: Game over in Land und Bund“, erklärte der Piraten-Abgeordnet­e Michael Neyses im Januar – am Tag, als er zu den Grünen wechselte.

Im Gegenzug zu Linken und Piraten erleben CDU und SPD im Saarland eine kleine Renaissanc­e. Sie waren hier traditione­ll stark, brachten es früher zusammen auf bis zu 90 Prozent der Stimmen. 2009 folgte der Absturz auf 59 Prozent. In der letzten Umfrage liegen sie nun wieder bei 73 Prozent.

Spricht man Oskar Lafontaine auf den Abwärtstre­nd seiner Partei an, dann erhält man zwei Erklä

rungen. Erstens werde die Linke bei Umfragen immer unter Wert gemessen. Und zweitens „hatte und hat die Linke – wie alle neuen Parteien – eine Reihe von Mitglieder­n in ihren Reihen, die etwas schwierig sind“. Tatsächlic­h ging es in dem Landesverb­and in den letzten Jahren drunter und drüber. In den letzten Monaten tritt die Saar-Linke aber wieder geschlosse­ner auf.

Bei den Piraten ist die Entwicklun­g noch dramatisch­er: Der Landesverb­and geriet nach 2009 immer stärker in den Abwärtssog der Bundespart­ei. Michael Neyses sagte beim Abschied: „Die Partei, für die ich in den Landtag gewählt wurde, gibt es nicht mehr.“Piraten-Landeschef Gerd Rainer Weber indes sieht die Partei wieder auf dem Weg nach oben und träumt von einer Regierungs­be- teiligung. Bei den Linken hängt nun vieles von Oskar Lafontaine ab. Als er sich bei der letzten Bundestags­wahl weigerte, Wahlkampf zu machen, weil er sich mit Spitzenkan­didat Thomas Lutze überworfen hatte, stürzte die Partei auf zehn Prozent ab. „Sicher spielt meine Kandidatur eine Rolle“, sagt Lafontaine über die Landtagswa­hl 2017. Viele Saarländer erinnerten sich an seine Arbeit als Saarbrücke­r Oberbürger­meister (1976-1985) und als Ministerpr­äsident des Saarlandes (1985-1998). Ob er noch einmal antritt, will Lafontaine 2016 entscheide­n.

Auf seine Antwort warten nun die gesamte Linke – und alle übrigen Parteien. Denn das Ergebnis einer Wahl ohne Lafontaine wäre mit Sicherheit ein anderes als mit Lafontaine.

 ?? FOTO: B&B ?? Oskar Lafontaine hat noch nicht entschiede­n, ob er 2017 wieder für den Landtag kandidiere­n wird.
FOTO: B&B Oskar Lafontaine hat noch nicht entschiede­n, ob er 2017 wieder für den Landtag kandidiere­n wird.

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