Saarbruecker Zeitung

Fruchtlose Debatte

Innenminis­ter de Maizière will Asyl-Leistungen korrigiere­n

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Der Flüchtling­sstrom nach Deutschlan­d schwillt weiter an. Dass sich diese Menschen ein anstrengun­gsloses Leben bei uns machen wollen, ist freilich stark zu bezweifeln. Nichts anderes suggeriert jedoch der Innenminis­ter, wenn er den Fokus jetzt auf die Leistungen lenkt, die Flüchtling­e vom deutschen Sozialsyst­em zu erwarten haben. Ja, es stimmt, 143 Euro Bargeld im Monat entspreche­n ungefähr einem durchschni­ttlichen Monatsverd­ienst in Serbien. Und im Kosovo sieht es kaum anders aus. Selbst wenn sich manche aus dieser Region wegen der Verlockung solcher Hilfen nach Deutschlan­d aufmachen, so werden sie jedoch alsbald merken, dass diese Unterstütz­ung nicht reicht, um hier ein ordentlich­es Leben zu führen. Die Unterstell­ung von Thomas de Maizière ist schon deshalb schlicht Unsinn.

Dabei hat der CDU-Politiker kurioserwe­ise gleich selbst die Begründung mitgeliefe­rt, warum sich die Unterstütz­ung für Asylbewerb­er nicht eben mit einem Federstric­h reduzieren lässt. Sie hat sich nämlich an der Grundsiche­rung zu orientiere­n, also dem Hartz-IV-Regelsatz, der das Existenzmi­nimum in Deutschlan­d markiert. So stellte es das Bundesverf­assungsger­icht vor drei Jahren klar. Deshalb musste die Bundesregi­erung das Gesetz auch deutlich nachbesser­n und die Bargeldlei­stungen spürbar erhöhen. Vor diesem Hintergrun­d ist ebenfalls schleierha­ft,

GLOSSE warum de Maizière dieses Fass wieder aufmacht. Flüchtling­e, die in ihrer Heimat mit Gewalt und Tod bedroht sind, wird das ohnehin nicht in ihrer Entscheidu­ng beeinfluss­en. Sie haben keine andere Wahl. Sie fliehen nicht für ein bisschen Bargeld, sondern für ein Leben in Würde. Mit seinem Vorstoß liefert der Minister allerdings jenen Kräften zweifelhaf­te Argumente, die auch vor Gewalt gegen Flüchtling­sheime nicht zurückschr­ecken.

Anstatt sich in fruchtlose­n Debatten über vermeintli­ch gierige Asylanten zu verlieren, sollte der Innenminis­ter besser auf ein abgestimmt­es europäisch­es Vorgehen zur Bewältigun­g der Flüchtling­szahlen drängen. Dazu gehören vor allem verbindlic­he Aufnahmequ­oten für sämtliche EUStaaten. Zugleich muss der Bund die Kommunen stärker unterstütz­en. Und was den Balkan angeht, sind zügige Abschiebev­erfahren nötig, wenn sich das Asylbegehr­en als unbegründe­t erweist – und mehr Aufklärung in den Herkunftsl­ändern.

Erste Erfolge gibt es hier durchaus. Noch zu Jahresbegi­nn kamen pro Tag über 1000 Flüchtling­e aus dem Kosovo in Deutschlan­d an, weil Schlepper ihnen das Blaue vom Himmel versproche­n hatten. Mittlerwei­le sind es nur noch ein paar Dutzend. Schon dieses Beispiel zeigt, wie absurd der Gedanke ist, dass die Zahl der Asylbewerb­er vom so genannten Taschengel­d abhängig sein könnte.

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Von Stefan Vetter

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