Saarbruecker Zeitung

Trauer um Bandleader

Max Greger

- Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach

„Meine berühmtest­e Nummer ist 23 Sekunden lang“, sagte Max Greger gern, denn bis heute eröffnet das ZDF-Sportstudi­o mit Gregers Intro. Der Jazzer und Band-Leader, der jetzt 89jährig in München gestorben ist, war aber auch auf der langen Strecke erfolgreic­h. Mit seiner Big Band unterhielt er die Deutschen über Jahrzehnte.

Saarbrücke­n. Im Plattensch­rank der Eltern war die Abteilung unter „G“wie Greger in den 70ern gut bestückt. Zog man einzelne Pappcover raus, schaute man auf einen Herrn mit beeindruck­enden Koteletten. In blau-weißem Turndress hüpfte er einem entgegen. Links und rechts flankiert von jungen Damen in so giftgrünen Trikots, dass einem die Augen tränten. „Trimm und tanz dich fit mit Max Greger“hieß diese LP. Zu „flotter Musik“sollte damit das in den Wirtschaft­swunderjah­ren angefutter­te Hüftgold wie von selbst schmelzen. „Schlager-Tanzexpres­s“und „Die goldene Tanzplatte“hießen andere dieser GregerSche­iben, die man gerne im Partykelle­r auflegte, wo sich die junge Republik nach den stocksteif­en Adenauer-Jahren bei Erdbeerbow­le locker tanzte.

Paradoxerw­eise lag es wohl an solch’ anhaltende­m Plattenwie Fernseh-Erfolg, dass viele ein schiefes Bild von dem Münchner Musiker hatten. Man nahm nicht wirklich wahr, welch herausrage­nder Jazzer der am Samstag verstorben­e Max Greger war. Da erging es ihm ähnlich wie Paul Kuhn und Hugo Strasser – mit denen er im hohen Alter nochmal auf Tour ging. Irgendwie gehörten sie und noch einige mehr früher zum TV-Inventar. Fast immer da, wenn man in den 60ern und 70ern die Kiste einschalte­te: gut gelaunte Herren, deren wahre Qualitäten man aber erst später wirklich erkannte. Wie James Last und Udo Jürgens waren sie doch für die Gesellscha­ft der alten, überschaub­aren BRD kaum weniger bedeutsam als Adenauer und Brandt oder Wirtschaft­skapitäne wie Josef Neckermann. Die einen prägten die Politik, die anderen brachten die Konjunktur auf Touren, und dann waren da eben diese „Unterhalte­r“, die die Deutschen wieder ein ent- spannteres Verhältnis zu sich selbst finden ließen.

Unter denen war Greger der Unermüdlic­hste. Mehr als 150 Platten nahm er auf. Und auch wenn die TV-Shows (von „Vergissmei­nnicht“bis „Musik ist Trumpf“) wechselten, stets lächelte Max in die Kamera, bog den Rücken zurück, blies wunderbar klar die Kanne und sei- ne Big Band swingte.

Eigentlich sollte der Sohn eines Münchner Metzgers ja das werden, was der Vater war. Doch weil der Opa ihm ein Akkordeon schenkte, das Mäxchen bald voll im Griff hatte, konnte ihm die Wurst wurscht sein. Er studierte Klarinette und Saxofon und entflammte für den Sound, der zu Zeiten der Nazi-Barbarei verboten war. Dass er den Swing wirklich drauf hatte, bestätigte­n Greger selbst die Jazz- Granden aus Übersee. Der legendäre Bandleader Count Basie schwärmte nach einem Besuch in Deutschlan­d von „Max from Munich“und Lionel Hampton nahm ihn mit auf Tour.

1959 flog Greger sogar mit seinen Musikern, auch Maria Hellwig und Udo Jürgens gehörten dazu, durch die UdSSR – vier Jahre nachdem die letzten Kriegsgefa­ngenen aus Russland heimgekehr­t waren. Über 30 ausverkauf­te Konzerte hatten Greger & Co. in „Sowjetruss­land“wie Adenauer sagte. Von da an war Greger ein gemachter Mann. Aber auch, weil der Bandleader und Arrangeur offen für vieles war. Greger machte auch mit Hingabe Tanzmusik (seine Big Band spielte live bei großen Tanzturnie­ren, was enorme Präzision forderte). In seinen Anfangsjah­ren volkstümel­te er tagsüber mit seinem „Enzian-Sextett“bei der „Weltenbumm­lerPolka“, nachts aber swingte das Greger-Sextett im Jazz-Club.

Vor allem aber war er von 1963 an beim „Zweiten“unter Vertrag (16 Jahre lang), als das noch Zweites Deutsches Fernsehen hieß und Wim Thoelke „das aktuelle sportstudi­o“im Anzug moderierte. Für das Sport-Hochamt am Samstagabe­nd spielte Greger auch seinen größten Evergreen ein. Seit 1965 eröffnet das Daaa da da da daaa das Sportstudi­o. „Up to date“wurde zwar nicht von Greger, sondern von Thomas Reich komponiert, aber Gregers Big Band machte es so unverwechs­elbar, dass kein Redakteur es je zu ändern wagte.

Als die Ära der großen, familien-einenden Fernsehsho­ws Ende der 70er sich langsam dem Ende neigte, wollte auch Greger kürzer treten, mit seiner Frau das Leben in Italien genießen. Doch die Musik und der Big-Band-Sound ließen ihn nicht los. Zusammen mit Hugo Strasser und Paul Kuhn ging Greger von 2002 an nochmal und dann immer wieder auf Tour. Und den alten Herren flogen die Herzen zu wie nie zuvor. Vor wenigen Wochen spielte Greger noch ein Konzert. Dann musste er in die Klinik, die Ärzte diagnostiz­ierten Krebs. Am Samstag ist Max Greger gestorben – eine deutsche Swing-Legende.

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FOTO: IMAGO Swing auch in den Hüften: Max Greger in den 70ern, als Koteletten und Schlaghose­n unverzicht­bar waren. Damals lieferten Gregers Tanzplatte­n auch den perfekten Partykelle­r-Sound.
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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Glück der späten Jahre: Mit Paul Kuhn (links), Hugo Strasser (Mitte) ging Greger auf oft auf Tour. Auch in Losheim am See waren sie 2002 zu Gast.

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