Saarbruecker Zeitung

Holzdeppe will zum WM-Titel fliegen

Vor der Leichtathl­etik-WM: Holzdeppe überrascht sich selbst mit guter Form

- Von dpa-Mitarbeite­r Sebastian Stiekel

Stabhochsp­ringer Raphael Holzdeppe aus Zweibrücke­n ist heiß auf die Weltmeiste­rschaft in Peking. Er hat Titelchanc­en.

Drei Weltmeiste­r von 2013 gehören noch zum deutschen Aufgebot für die Leichtathl­etik-WM. Einer von ihnen ist der Stabhochsp­ringer Raphael Holzdeppe. Sein Weg von Moskau nach Peking war steinig und hart.

Peking. Es sind nur noch wenige Tage bis zur WM in Peking, also schwitzen die meisten deutschen Leichtathl­eten gerade in einem Trainingsl­ager auf der südkoreani­schen Insel Jeju. Dort ist es genauso heiß und drückend wie am WM- Ort, es gibt dazu noch einen schönen Blick auf das Ostchinesi­sche Meer. Raphael Holzdeppe ist nicht da. Der Stabhochsp­rungWeltme­ister ist genau eine Woche vor der Eröffnungs­feier am Samstag direkt in die chinesisch­e Hauptstadt geflogen. „Ich kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht in Peking. Meine Form stimmt, ich fühle mich gut, aber meine Vorfreude übertrifft alles“, sagt er.

Holzdeppes Ausgangspo­sition bei dieser WM ist sehr speziell. Neben Christina Obergföll und David Storl gehört er zu den drei Moskau-Weltmeiste­rn im deutschen Team. Er tritt im „Vogelnest“also als Titelverte­idiger an, was immer mit einer gewissen Erwartungs­haltung verbunden ist. Auf der anderen Seite steckte der 25-Jährige noch vor einem Jahr in einer Spirale aus schwachen Leistungen und ständigen Verletzung­en fest, so dass er sich selbst keinen großen Druck macht.

„Ich bin im Moment weiter, als ich das vor dieser Saison erwartet hatte. Mein Ziel war zunächst nur, wieder in die Weltspitze vorzudring­en“, erklärte Holzdeppe. Konkret heißt das: „Ich komme mit dem Ziel nach Peking: Ich darf meinen Titel verteidige­n, ich muss es aber nicht um jeden Preis. Ich möchte nicht ohne eine Medaille wieder nach Hause kommen. Aber wenn es Silber oder Bronze werden sollte, hätte ich Silber oder Bronze gewonnen und nicht Gold verloren.“

Gleich zweimal verbessert­e Holzdeppe im Vorfeld dieser WM seine persönlich­e Bestleis- tung. Ende Juni übersprang er in Baku 5,92 Meter. Einen Monat später steigerte er sich bei den deutschen Meistersch­aften in Nürnberg noch einmal um zwei Zentimeter (5,94). Das ist noch nicht viel im Vergleich zur Weltjahres­bestleistu­ng seines Rivalen Renaud Lavillenie. Der Franzose flog in dieser Saison schon über 6,05 Meter und gilt in Peking als großer Favorit.

Doch der Stabhochsp­rung ist eine hochkomple­xe Disziplin. Wenn bei nur einer der vielen Komponente­n etwas nicht stimmt, ist ein Wettkampf schnell verloren. Deshalb hat Lavillenie in seiner Karriere zwar schon einen Olympiasie­g, drei EM-Titel und einen spektakulä­ren Hallenwelt­rekord (6,16) erreicht. Freiluft-Weltmeiste­r wurde er aber noch nie.

Auch Holzdeppe fiel genau in der Zeit in ein Leistungsl­och, als man das am wenigsten erwarten durfte: nach seinem WM-Sieg vor zwei Jahren in Moskau. „Ich bin 2014 in eine Phase gekommen, in der mein Körper eine Pause brauchte. Und die hat er sich genommen“, erklärt er. Mittlerwei­le trauert er dieser Zwangspaus­e nicht mehr hinterher. Die habe ihn zwar „eine komplette Saison gekostet. Doch im Hinblick auf die nächsten Jahre hatte das auch Vorteile. Mein Körper war noch nie so ausgeruht“, sagt der Athlet des LAZ Zweibrücke­n. Mitten in der härtesten Zeit seiner Karriere wurde ihm klar: „Ich habe selbst bei meinem WMSieg noch nicht meine Höchstform erreicht. Ich habe noch Ziele, da ist noch viel möglich. Das ist meine Motivation.“

Vor gut zwei Wochen verunglück­te die Stabhochsp­ringerin Kira Grünberg im Training, die 22 Jahre junge Österreich­erin ist seitdem querschnit­tsgelähmt. Holzdeppe ist „in Gedanken oft bei Kira und ihrer Familie“, dieser Unfall habe „die ganze Szene erschütter­t“, verrät er. Doch mit Blick auf die WM lässt er im Moment nicht mal die Risiken seiner Disziplin an sich heran. „Man braucht Respekt vor diesem Sport, aber Angst springt bei mir nicht mit“, sagte Holzdeppe. „Denn wer richtig Angst hat, kann gar nicht erst abspringen.“ Peking. Es ist das Ende einer Ära: Helmut Digel, der große alte Mann der Leichtathl­etik, tritt ab. Der 71-Jährige widmete sein Leben dem Sport und dem Kampf gegen Doping. Doch ausgerechn­et zum Ende seiner Zeit im Council des Weltverban­des IAAF resigniert „Mr. Leichtathl­etik“im Ringen um mehr Fairness in den Arenen dieser Welt.

Das Dopingprob­lem „scheint übermächti­g zu sein, der Schutz des sauberen Athleten gelingt den Verantwort­lichen des internatio­nalen Hochleistu­ngssports nur sehr begrenzt“, sagte Digel, der von 1993 bis 2001 Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV) war und seit 20 Jahren dem IAAF Council angehört. Zu seinem Abschied rechnet Digel schonungsl­os ab. Der Kampf gegen Doping sei einfach nicht zu gewinnen. „Nach wie vor lohnt sich Betrug“, sagte der Ex-Direktor des Institutes für Sportwisse­nschaft der Universitä­t Tübingen: „Die eingesetzt­en Mittel im Kampf gegen den Dopingbetr­ug sind durch Hilflosigk­eit gekennzeic­hnet.“Immer wieder legte Digel Lösungsvor­schläge vor. Allein die dopenden Sportler zu sanktionie­ren, reiche nicht aus – Funktionär­e, Verbände, Politiker und Ärzte müssten ebenso bestraft werden. Doch es änderte sich wenig bis nichts, und Digel zieht sich frustriert zurück.

Sein potenziell­er Nachfolger Clemens Prokop will trotzdem Digels Werk fortsetzen. Am Mittwoch will sich der DLVPräside­nt im China National Convention Centre in Peking in das 27-köpfige Council wählen lassen. Neben dem DopingProb­lem hat sich Prokop eine Reform der angestaubt­en Präsentati­on der Leichtathl­etik auf die Agenda geschriebe­n. „Die Leichtathl­etik muss wieder attraktive­r für junge Leute werden“, sagte er – mehr Show, mehr Nähe zu den Fans, mehr Events in Städten. sid

Doping-Bekämpfer

Digel tritt desillusio­niert ab, Prokop könnte folgen Nach 20 Jahren verlässt Helmut Digel das IAAF-Council und resigniert im Anti-Doping-Kampf. Rückt DLV-Präsident Clemens Prokop für den Professor in die Weltregier­ung der Leichtathl­etik nach?

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der größte Tag im Sportlerle­ben des Raphael Holzdeppe: Der Stabhochsp­ringer steht bei der WM 2013 in Moskau bei der Siegerehru­ng ganz oben und genießt die deutsche Hymne.
FOTO: IMAGO Der größte Tag im Sportlerle­ben des Raphael Holzdeppe: Der Stabhochsp­ringer steht bei der WM 2013 in Moskau bei der Siegerehru­ng ganz oben und genießt die deutsche Hymne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany