Holzdeppe will zum WM-Titel fliegen
Vor der Leichtathletik-WM: Holzdeppe überrascht sich selbst mit guter Form
Stabhochspringer Raphael Holzdeppe aus Zweibrücken ist heiß auf die Weltmeisterschaft in Peking. Er hat Titelchancen.
Drei Weltmeister von 2013 gehören noch zum deutschen Aufgebot für die Leichtathletik-WM. Einer von ihnen ist der Stabhochspringer Raphael Holzdeppe. Sein Weg von Moskau nach Peking war steinig und hart.
Peking. Es sind nur noch wenige Tage bis zur WM in Peking, also schwitzen die meisten deutschen Leichtathleten gerade in einem Trainingslager auf der südkoreanischen Insel Jeju. Dort ist es genauso heiß und drückend wie am WM- Ort, es gibt dazu noch einen schönen Blick auf das Ostchinesische Meer. Raphael Holzdeppe ist nicht da. Der StabhochsprungWeltmeister ist genau eine Woche vor der Eröffnungsfeier am Samstag direkt in die chinesische Hauptstadt geflogen. „Ich kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht in Peking. Meine Form stimmt, ich fühle mich gut, aber meine Vorfreude übertrifft alles“, sagt er.
Holzdeppes Ausgangsposition bei dieser WM ist sehr speziell. Neben Christina Obergföll und David Storl gehört er zu den drei Moskau-Weltmeistern im deutschen Team. Er tritt im „Vogelnest“also als Titelverteidiger an, was immer mit einer gewissen Erwartungshaltung verbunden ist. Auf der anderen Seite steckte der 25-Jährige noch vor einem Jahr in einer Spirale aus schwachen Leistungen und ständigen Verletzungen fest, so dass er sich selbst keinen großen Druck macht.
„Ich bin im Moment weiter, als ich das vor dieser Saison erwartet hatte. Mein Ziel war zunächst nur, wieder in die Weltspitze vorzudringen“, erklärte Holzdeppe. Konkret heißt das: „Ich komme mit dem Ziel nach Peking: Ich darf meinen Titel verteidigen, ich muss es aber nicht um jeden Preis. Ich möchte nicht ohne eine Medaille wieder nach Hause kommen. Aber wenn es Silber oder Bronze werden sollte, hätte ich Silber oder Bronze gewonnen und nicht Gold verloren.“
Gleich zweimal verbesserte Holzdeppe im Vorfeld dieser WM seine persönliche Bestleis- tung. Ende Juni übersprang er in Baku 5,92 Meter. Einen Monat später steigerte er sich bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg noch einmal um zwei Zentimeter (5,94). Das ist noch nicht viel im Vergleich zur Weltjahresbestleistung seines Rivalen Renaud Lavillenie. Der Franzose flog in dieser Saison schon über 6,05 Meter und gilt in Peking als großer Favorit.
Doch der Stabhochsprung ist eine hochkomplexe Disziplin. Wenn bei nur einer der vielen Komponenten etwas nicht stimmt, ist ein Wettkampf schnell verloren. Deshalb hat Lavillenie in seiner Karriere zwar schon einen Olympiasieg, drei EM-Titel und einen spektakulären Hallenweltrekord (6,16) erreicht. Freiluft-Weltmeister wurde er aber noch nie.
Auch Holzdeppe fiel genau in der Zeit in ein Leistungsloch, als man das am wenigsten erwarten durfte: nach seinem WM-Sieg vor zwei Jahren in Moskau. „Ich bin 2014 in eine Phase gekommen, in der mein Körper eine Pause brauchte. Und die hat er sich genommen“, erklärt er. Mittlerweile trauert er dieser Zwangspause nicht mehr hinterher. Die habe ihn zwar „eine komplette Saison gekostet. Doch im Hinblick auf die nächsten Jahre hatte das auch Vorteile. Mein Körper war noch nie so ausgeruht“, sagt der Athlet des LAZ Zweibrücken. Mitten in der härtesten Zeit seiner Karriere wurde ihm klar: „Ich habe selbst bei meinem WMSieg noch nicht meine Höchstform erreicht. Ich habe noch Ziele, da ist noch viel möglich. Das ist meine Motivation.“
Vor gut zwei Wochen verunglückte die Stabhochspringerin Kira Grünberg im Training, die 22 Jahre junge Österreicherin ist seitdem querschnittsgelähmt. Holzdeppe ist „in Gedanken oft bei Kira und ihrer Familie“, dieser Unfall habe „die ganze Szene erschüttert“, verrät er. Doch mit Blick auf die WM lässt er im Moment nicht mal die Risiken seiner Disziplin an sich heran. „Man braucht Respekt vor diesem Sport, aber Angst springt bei mir nicht mit“, sagte Holzdeppe. „Denn wer richtig Angst hat, kann gar nicht erst abspringen.“ Peking. Es ist das Ende einer Ära: Helmut Digel, der große alte Mann der Leichtathletik, tritt ab. Der 71-Jährige widmete sein Leben dem Sport und dem Kampf gegen Doping. Doch ausgerechnet zum Ende seiner Zeit im Council des Weltverbandes IAAF resigniert „Mr. Leichtathletik“im Ringen um mehr Fairness in den Arenen dieser Welt.
Das Dopingproblem „scheint übermächtig zu sein, der Schutz des sauberen Athleten gelingt den Verantwortlichen des internationalen Hochleistungssports nur sehr begrenzt“, sagte Digel, der von 1993 bis 2001 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) war und seit 20 Jahren dem IAAF Council angehört. Zu seinem Abschied rechnet Digel schonungslos ab. Der Kampf gegen Doping sei einfach nicht zu gewinnen. „Nach wie vor lohnt sich Betrug“, sagte der Ex-Direktor des Institutes für Sportwissenschaft der Universität Tübingen: „Die eingesetzten Mittel im Kampf gegen den Dopingbetrug sind durch Hilflosigkeit gekennzeichnet.“Immer wieder legte Digel Lösungsvorschläge vor. Allein die dopenden Sportler zu sanktionieren, reiche nicht aus – Funktionäre, Verbände, Politiker und Ärzte müssten ebenso bestraft werden. Doch es änderte sich wenig bis nichts, und Digel zieht sich frustriert zurück.
Sein potenzieller Nachfolger Clemens Prokop will trotzdem Digels Werk fortsetzen. Am Mittwoch will sich der DLVPräsident im China National Convention Centre in Peking in das 27-köpfige Council wählen lassen. Neben dem DopingProblem hat sich Prokop eine Reform der angestaubten Präsentation der Leichtathletik auf die Agenda geschrieben. „Die Leichtathletik muss wieder attraktiver für junge Leute werden“, sagte er – mehr Show, mehr Nähe zu den Fans, mehr Events in Städten. sid
Doping-Bekämpfer
Digel tritt desillusioniert ab, Prokop könnte folgen Nach 20 Jahren verlässt Helmut Digel das IAAF-Council und resigniert im Anti-Doping-Kampf. Rückt DLV-Präsident Clemens Prokop für den Professor in die Weltregierung der Leichtathletik nach?