Die unverhoffte Macht des Schlagzeugs
Das fulminante neue Album des New Yorker Jazz-Drummers Antonio Sanchez
Antonio Sanchez ist einer der bedeutenden Jazz-Schlagzeuger und Komponisten seiner Generation. Mit seiner Band „Migration“hat er nun sein Meisterwerk „The Meridian Suite“vorgelegt.
Es ist eines der Kino-Ereignisse des Jahres, denn die Ästhetik dieses Oscar-Preis-Films ist bermerkenswert. Die seiner Musik erst recht. Es scheint, als würde gänzlich ohne Schnitt die anhaltende Verfolgung eines abgehalfterten Blockbuster-Helden durch seine einstige Rolle von der Kamera verfolgt. Bei den Verwicklungen des „Birdman“alias Michael Keaton herrscht ungeheuere Rasanz. Es hagelte Preise, auch die Filmmusik war für den Golden Globe Award vorgeschlagen. Der in Amerika lebende Mexikaner Antonio Sanchez hat die neurotisch angespannten Ereignisse in ein Schlagzeugsolo gegossen, das die turbulenten Ereignisse adäquat illustriert.
Sanchez (Jahrgang 1971) ist kein Unbekannter in der New Yorker Jazzszene. Vom lateinamerikanischen Anschlag des Pianisten Danilo Pérez ist er abgesprungen hin zu einem begehrten Sideman und zum festen Mitglied der Pat Metheny Group. Seit 2007 steht er seiner eigenen Band „Migration“vor, die nun mit „The Meridian Suite“ihr Meisterwerk vorlegt. Nichts scheint Sanchez ferner zu liegen, als eine Platte aus einem Reigen in sich abgeschlossener, zeitlich limitierter Stücke zu basteln. Das muss einer, der in größeren Bögen denkt wie er, als Einschränkung empfinden. Sanchez malt mit breiter Palette. Das beginnt mit drängendem Pianoinsistieren John Escreets, in das hinein Sanchez seine ersten Akzente wuchtet, Bassist Matt Brewer steigt ein in die ostinate Magie, über der sich dann Seamus Blakes schneidendes Tenorsaxofon erhebt, das, gedoppelt von den Vokalisen der Sängerin Thana Alexa, etwas Majästetisches erhält. Später wird sie eine berückende Ballade intonieren, und auch die erhebt sich zu einem filigranen Meisterwerk.
Ob sich die Stücke fortan bei den milderen Geschichtenerzählern des Modern Jazz, des akustischen Pianotrios oder des Jazzrock, unterstützt vom Gitarristen Adam Rogers als Gast, bedienen, ob sie losgehen oder in innige Versenkung bremsen, ob sie einen Solisten nach vorn rücken oder kompaktem Gruppenklang verpflichtet sind, ist einerlei. Sie strahlen eine Dringlichkeit aus, die mit Händen zu greifen ist. Dies ist eine wirkliche Jazzsuite, deren innerer Zusammenhalt von einer undidaktischen Logik ist, die sich überträgt. stei
Antonio Sanchez & Migration: The Meridian Suite (Cam Jazz/ Harmonia Mundi).