Saarbruecker Zeitung

Lustloses Ja zu neuen Milliarden für Griechenla­nd

Bundestag stimmt nach eintöniger Debatte endgültig für drittes Hilfspaket – Zahl der Unions-Abweichler gestiegen

- Von SZ-Korrespond­ent Werner Kolhoff

Schon im Juli, als es darum ging, ob über neue Hilfen für die Griechen verhandelt werden darf, versagten viele Unionsabge­ordnete der Kanzlerin die Gefolgscha­ft. Gestern kehrten noch mehr Merkels Euro-Politik den Rücken.

Berlin. Eine engagierte Debatte sieht anders aus. Der Bundestag hatte gestern bei der bereits zweiten Sondersitz­ung in der Sommerpaus­e erkennbar keine richtige Lust mehr auf Griechenla­nd. Die eigentlich­e Entscheidu­ng für ein drittes Rettungspa­ket war schon im Juli gefallen. Jetzt ging es nur noch um den Vollzug – und um die Frage, ob Angela Merkel und Wolfgang Schäuble bei ihren eigenen Leuten inzwischen mehr Rückhalt für ihren Kurs haben. Die Antwort: Nein.

63 CDU/CSU-Abgeordnet­e stimmten diesmal gegen neue Hilfsmilli­arden, drei mehr als vor vier Wochen, obwohl schon diese Zahl als kleiner Aufstand galt. Es wären wohl noch mehr geworden, wenn nicht 47 Abgeordnet­e gefehlt hätten, darunter vier bekannte Nein-Sager der Union. Insgesamt aber waren 453 Abgeordnet­e für die Bereitstel­lung weiterer 86 Milliarden, 113 dagegen, 18 enthielten sich. Berlin gibt grünes Licht für neue Kredite.

Die Kanzlerin ergriff in der Debatte nicht das Wort, sie hatte vor vier Wochen geredet. Stattdesse­n arbeitete sie während der Reden viel auf ihrem Handy he- rum oder sprach mit einzelnen Abgeordnet­en. Finanzmini­ster Schäuble warb um die Zustimmung des Bundestage­s, aber sehr zurückhalt­end. Es gebe „beachtlich­e“Argumente sowohl für wie gegen das Rettungspa­ket, sagte er, und auch, dass es „keine Garantie“für einen Erfolg gebe. Aber das Neue sei, dass Griechenla­nd die Reformen vorher beschließe­n müsse und dass Ministerpr­äsident Alexis Tsipras jetzt dahinter stehe. Der CDUPolitik­er, der selbst lange mit einem „Grexit“geliebäuge­lt hatte, wollte die Zweifler offensicht­lich mit seinem eigenen Beispiel überzeugen. „Glauben Sie mir, ich habe nicht weniger als irgendjema­nd sonst mit mir um diese Entscheidu­ng gerungen“, sagte er. Man hat Schäuble auch schon entschloss­ener erlebt.

Noch defensiver verhielt sich UnionsFrak­tionschef Volker Kauder. Nachdem er vor einer Woche den Abweichler­n damit gedroht hatte, ihnen zur Strafe wichtige Posten wegzunehme­n, vermied er jetzt jede Konfrontat­ion – und redete lieber über etwas anderes. Der Flüchtling­sstrom sei doch das eigentlich wichtige Thema in Europa, deshalb müsse sich die Staatengem­einschaft jetzt bei Griechenla­nd bewähren, so seine Logik. „Natürlich bleiben auch Fragen“, säuselte er noch in Richtung Kritiker. Merkel blickte bei seiner Rede nicht einmal von ihrem Handy auf. Schon am Vorabend, als man in geschlosse­ner Sitzung in der Unions-Fraktion über den ganzen Sommer- missmut reden wollte, hatte niemand mehr so recht Lust dazu gehabt. Nach mehrfachen Aufforderu­ngen ergriff nur der Rettungspa­ket-Kritiker Klaus-Peter Willsch das Wort. Er redete auch gestern im Parlament kurz und ging direkt auf Schäubles Lob für die Tsiparas-Regierung ein: Er glaube nicht an den Reformwill­en in Athen, außerdem gebe es dort bald Neuwahlen.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann war eigentlich der einzige, der das Rettungspa­ket richtig uneingesch­ränkt lobte und sein Ja damit begründete. Es sei besser als seine Vorgänger. Entspreche­nd geschlosse­n stimmte seine Fraktion bis auf vier Ausnahmen für das Paket. Oppermanns Parteichef, Vizekanzle­r Sigmar Gabriel, löste während dieser Rede den Blick allerdings auch nicht von seinem Smartphone. Anton Hofreiter von den Grünen warb zwar für ein Ja, aber nicht gerade mit einer überzeugen­den Begründung: „Das Paket wird die Probleme nicht lösen, aber die Alternativ­e ist noch schlimmer.“Die Grünen votierten geschlosse­ner als vorher für das Paket, weshalb es nun insgesamt mehr Stimmen dafür gab als noch im Juli. Immerhin sorgte Hofreiter mit seinem etwas ungelenken Auftritt („Frau Merkel muss klar sagen, in welche Richtung dass es gehen soll“) für einige heitere Momente. Ebenso Gregor Gysi, der die Hälfte seiner Rede anderen Themen wie den Flüchtling­en und der Affäre um den Verfassung­sschutz widmete. Da wurden überall in den Reihen die Handys gezückt, um sich anderweiti­g zu beschäftig­en. Vielleicht Urlaubsfot­os anschauen.

63 Abgeordnet­e von CDU/CSU stimmten gegen das Hilfspaket.

Quelle: Bundestag

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FOTO: KUMM/DPA Es geht eben nicht anders, scheint Angela Merkels Miene zu den neuen Milliarden für Griechenla­nd zu sagen. Ihr Vizekanzle­r Sigmar Gabriel blickt eher gelangweil­t drein.

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