Saarbruecker Zeitung

Im ländlichen Raum kann die SPD kaum punkten

Die baden-württember­gischen Sozialdemo­kraten müssen sich vorerst als Nummer drei abfinden – SZ-Serie, Teil 4

- Von SZ-Mitarbeite­r Herbert Beck PRODUKTION DIESER SEITE: STEFANIE MARSCH LARS REUSCH

Im kommenden Jahr startet Deutschlan­d in eine Serie bedeutende­r Wahlen, die 2017 mit der Bundestags­wahl ihren Höhepunkt findet. Im Bund schienen die Mehrheiten zuletzt in Stein gemeißelt. Doch bei genauerem Hinsehen ist das Parteiensy­stem in Bewegung. SZ-Mitarbeite­r haben dafür bundesweit Beispiele gefunden. Heute: die SPD in Baden-Württember­g.

Stuttgart. Die Sonderverö­ffentlichu­ng des SPD-Parteiorga­ns „Vorwärts“knapp ein Jahr vor der Landtagswa­hl in BadenWürtt­emberg will die Leserschaf­t auf Seite eins mit einem dynamische­n Slogan anstacheln: „Jetzt geht’s los.“Ganz am Seitenfuß der letzten Seite kündigen Landeschef Nils Schmid und der Mitarbeite­rstab der Partei mit einem weiteren Verspreche­n einen schwungvol­len Wahlkampf an: „Wir sind bereit!“Da spielt viel Zweckoptim­ismus mit hinein.

Die Perspektiv­en der Sozialdemo­kraten sind im Südwesten alles andere als rosig. So freuten sie sich zuletzt schon darüber, dass die SPD in der aktuellen ForsaUmfra­ge bei der Sonntagsfr­age für das Land 20 Prozent erhielt. Zusammen mit den 26 Prozent der Grünen würde das zwar ausreichen, noch einmal ein grün-rotes Bündnis unter dem grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n zu schmieden – weil die CDU bei 38 Prozent landete und keine andere Partei im nächsten Landtag säße. Doch der Anspruch der SPD lautet, den Ministerpr­äsidenten zu stellen. Als Nummer drei im Parteiensp­ektrum kann sie sich das abschminke­n.

Ein Grund für das Schwächeln der SPD hat mit einfacher Mathematik zu tun: „Wir als SüdwestSPD liegen im Regelfall fünf Punkte hinter der Bundes-SPD“, rechnet Nils Schmid vor. Solange Sigmar Gabriels Regierungs­riege im Lichte der großen Koalition bei 25 Prozent verharrt, müssen die baden-württember­gischen Roten demnach froh sein, wenn am Ende ein Ergebnis von um die 20 Prozent bei Umfragen und Wahlen herausspri­ngt.

Gravierend­er macht sich bemerkbar, dass es die SPD im vergangene­n Jahrzehnt nicht geschafft hat, außerhalb der Großstädte noch als Volksparte­i wahrgenomm­en zu werden. Das zeigt der Blick nach Oberschwab­en. Die Gegend zwischen Bodensee und Donau gehört wirtschaft­lich zu den stärksten Regionen der Republik. Doch südlich von Ulm sind wichtige Mandatsträ­ger Mangelware. Martin Gerster aus Biberach vertritt die Partei im Bundestag. Zusammen mit dem Ulmer Landtagsab­geordneten Martin Rivoir müht er sich ab, die verblieben­en Genossen für Themen wie soziale Gerechtigk­eit, gute Arbeit oder faire Bildungsch­ancen zu begeis- tern. Das fällt schwer, wenn der soziale Druck im Vergleich zu anderen Landesteil­en nur schwach zu spüren ist. Mit Nachbarsch­aftsbesuch­en will die Partei in den kommenden Monaten versuchen, sich und ihren agilen Parteichef im Gespräch zu halten, bevor der Wahlkampf mit den beiden Hauptperso­nen Winfried Kretschman­n und Guido Wolf (CDU) so richtig in Fahrt kommen wird.

Nicht gefruchtet hat auch die Strategie der SPD, sich besonders stark um die Großstädte zu kümmern. Das typische Arbeitermi­lieu fehlt schon lange in den Metropolen des Landes, das seine Wirtschaft­skraft auch den gut aufgestell­ten mittelstän­dischen Tüftlern im ländlichen Raum verdankt. In Stuttgart gab 2012 die von der SPD unterstütz­te Oberbürger­meisterkan­didatin Bettina Wilhelm nach 15,1 Prozent im ersten Wahlgang auf. Seit gut zwei Jahren regiert dort in Fritz Kuhn ein Grüner. Immerhin schaffte es in Karlsruhe Frank Mentrup Anfang 2013 auf den OB-Sessel der dortigen Kommunalve­rwaltung. Bei den Oberbürger­meisterwah­len spielen zwar häufig persönlich­e Eigenschaf­ten die größere Rolle als das Parteibuch. Doch Erfolge bei diesen Wahlen können Hoffnung machen. Umso mehr freut sich die SPD, dass sie im Jahr vor der Landtagswa­hl den Posten in Mannheim verteidige­n konnte, und setzt darauf, dass sie das im Dezember auch in Ulm schafft. An der Donau ist allerdings offen, ob Ivo Gönner erneut antritt.

Immerhin stellt die Partei neuerdings in Tengen, einer 4500Einwoh­ner- Gemeinde in Südbaden, den jüngsten deutschen Bürgermeis­ter. Kurz nach seinem 25. Geburtstag gewann dort Anfang März Marian Schreier schon im ersten Durchgang. Nils Schmid bezeichnet­e das wenige Tage später am Rande eines Landespart­eitags in Singen als „vielverspr­echendes Signal“. Die Analyse (70 Prozent Wahlbeteil­igung) zeigte, dass der Verwaltung­swissensch­aftler gerade in seiner Altersklas­se stark gepunktet hatte. Im Wahlkampf war er freilich als „parteilose­r Kandidat“angetreten – trotz des roten Parteibuch­s.

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FOTO: KASTL/DPA SPD-Chef Nils Schmid geht in Baden-Württember­g als Außenseite­r in den Wahlkampf.

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