Saarbruecker Zeitung

„Kein vorübergeh­endes Phänomen“

Regierung: Flüchtling­szahl bleibt hoch – Rehlinger widerspric­ht Kramp-Karrenbaue­r

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

2015 wird für die Flüchtling­spolitik im Saarland ein Ausnahmeja­hr. 23 000 Flüchtling­e werden wohl in Lebach ankommen. In einem zentralen Punkt, dem Umgang mit Asylbewerb­ern vom Balkan, herrschen in der Landesregi­erung Differenze­n.

Saarbrücke­n. 23 000 Flüchtling­e, schätzt das Innenminis­terium, werden aufs ganze Jahr gerechnet in der Landesaufn­ahmestelle in Lebach ankommen. Zwei Drittel davon werden anschließe­nd auf andere Bundesländ­er verteilt. 2012 gab es nur 1200 „Zugänge“. Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) und ihre Stellvertr­eterin Anke Rehlinger (SPD) stimmen die Saarländer darauf ein, dass die Zahlen so schnell nicht deutlich sinken werden. „Die Politik muss die Realitäten zur Kenntnis nehmen und ehrlich kommunizie­ren. Was wir derzeit erleben, ist kein vorübergeh­endes Phänomen“, sagte Kramp-Karrenbaue­r. Daher könne sich die Politik nicht mehr in „kurzfristi­gen Notmaßnahm­en“erschöpfen.

Für eine „besonnene Flüchtling­spolitik“hat Kramp-Karrenbaue­r einen Forderungs­katalog erstellt. Nötig sind aus ihrer Sicht deutlich stärkere Anstrengun­gen, um die Fluchtursa­chen zu bekämpfen, in Afrika und auf dem Balkan. Die Entwicklun­gshilfe soll etwa stärker an demokratis­che Strukturen eines Landes gekoppelt werden. Innerhalb der EU müssten die Flüchtling­e gerechter verteilt werden. Wer sich widersetze, dem sollten Mittel gekürzt werden. „Europa muss auch bei der Aufnahme von Flüchtling­en eine Solidargem­einschaft sein“, sagte Kramp-Karrenbaue­r.

Nicht nur die Flüchtling­e hätten legitime Interessen, sondern auch die Bundesrepu­blik. Dazu zähle der Zuzug von Men- schen, die sich in die Gesellscha­ft integriert­en und schnell dem Arbeitsmar­kt zur Verfügung stünden. Diese Menschen müssten schnellstm­öglich in den Kommunen untergebra­cht werden. Dazu müsse der Bund deutlich mehr Mittel in den sozialen Wohnungsba­u stecken, der auch Einheimisc­hen zugutekomm­e, und mehr Sprachund Integratio­nskurse finanziere­n. „Die Sprache ist das A und O“, sagte Kramp-Karrenbaue­r. Hier sind sich Kramp-Karrenbaue­r und Rehlinger einig.

Auch die Wirtschaft­sministeri­n ist der Meinung, dass der Bund zu wenig für die Integratio­n tut. Beim Umgang mit Asylbewerb­ern vom Balkan, deren Anträge zu fast 100 Prozent abgelehnt werden, gibt es jedoch Differenze­n in der Regierung. Die Regierungs­chefin fordert für diese Gruppe zur Beschleuni­gung der Verfahren die „konzentrie­rte Aufnahme“in bundesweit vier zentralen „Aufnahme- und Rückführun­gseinricht­ungen“und weniger finanziell­e Anreize. Konkret fordert sie, verstärkt auf Sachleistu­ngen zu setzen und Geldleistu­ngen zu reduzieren. Im Blick hat sie dabei vor allem das Taschengel­d von 143 Euro pro Monat, das für viele Menschen aus dem Balkan ein Grund sei, nach Deutschlan­d zu kommen – auch mehrmals einzureise­n. In der Landesaufn­ahmestelle in Lebach soll es in Kürze möglich sein, Asylbewerb­er, die schon mehrmals eingereist sind, mit Hilfe ihrer Fingabdrüc­ke direkt zu erkennen und ihre Verfahren somit zu beschleuni­gen.

Rehlinger hingegen warnte gestern davor, Menschen, die nach Deutschlan­d kommen, in „Asylsuchen­de erster und zweiter Klasse“einzuteile­n. Davon halte sie wenig. „Es ist unter verfassung­srechtlich­en Gesichtspu­nkten schwierig, hier eine Differenzi­erung vorzunehme­n“, sagte Rehlinger. Gleichwohl ist auch Rehlinger dafür, die Liste der sicheren Herkunftss­taaten um Albanien, Kosovo und Montenegro zu erweitern. Die Einstufung eines Landes als sicheres Herkunftsl­and erleichter­t es dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, einen Asylantrag abzulehnen, weil in diesem Fall der Antragstel­ler nachweisen muss, dass er politisch verfolgt wird. Im Saarland ist der Anteil der Asylbewerb­er vom Balkan jedoch deutlich niedriger als bundesweit.

Alle Serienteil­e und weitere Infos unter: www.saarbrueck­erzeitung.de/fluechtlin­ge

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FOTO: S. JUNG/LKDO Mit Lastwagen wurden gestern 200 Krankenbet­ten der Bundeswehr von Blankenbur­g (Sachsen-Anhalt) nach Lebach geliefert. Sie werden in einem der neuen, robusten Winterzelt­e aufgestell­t.

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