Saarbruecker Zeitung

Das Ende des Festnetzes

In 53 deutschen Städten soll bereits zum kommenden Jahr auf die internetba­sierte Telefonie umgestellt werden

- Von SZ-Redaktions­mitglied Eva Lippold

In Zukunft soll Telefonier­en nur noch über das Internet möglich sein: Bis 2018 sollen alle deutschen Anschlüsse auf IP-Telefonie umgestellt werden. ISDN und analoge Anschlüsse sind dann Vergangenh­eit.

Saarbrücke­n. Seit einiger Zeit informiert die Telekom ihre Kunden über das anstehende Ende ihres Analog- oder ISDNAnschl­usses und die Umstellung auf internetba­sierte Telefonie. Wer nicht freiwillig wechselt, dem droht im schlimmste­n Fall sogar die Kündigung.

Das Kürzel IP steht für Internet Protokoll, ein Standard für den Datenverke­hr im Internet. Mit ihm können weltweit Datenpaket­e mit unterschie­dlichen Inhalten wie Sprache, Text oder Musik über das Internet verteilt werden. Bereits sechs der insgesamt 20 Millionen Telekomkun­den in Deutschlan­d nutzen die IP-Technik, bis 2018 soll es nur noch internetba­sierte Telefonans­chlüsse geben.

Doch nicht immer geht der Wechsel des Telefonans­chlusses so problemlos über die Bühne, wie die Telekom es auf ihrer Homepage bewirbt. Unter anderem im Online-Service-Forum des Unternehme­ns beschwert sich eine beachtlich­e Zahl von Kunden, dass ihr Anschluss wegen der Umstellung stunden-, tage- und sogar wochenlang lahmgelegt war. Die Telekom selbst räumt Störungen der IP-Telefonie im August vergangene­n Jahres ein, von denen rund zehn Prozent ihrer IPKunden betroffen waren. Und auch in diesem Jahr waren schon mehrfach Hunderttau­sende Anschlüsse über mehrere

Bis spätestens 2018 sollen alle Telefone über Internet-Leitungen miteinande­r verbunden sein. Bislang sorgt die Umstellung bei Verbrauche­rn jedoch für Ärger.

Stunden lahmgelegt, wie das Verbrauche­rmagazin Teltarif berichtete. 60 000 Kunden werden laut Telekom wöchentlic­h auf die neue Technik umgestellt. In „95 Prozent aller Fälle geht der Wechsel glatt“, sagte ein Sprecher der Telekom gegenüber der SZ. Das bedeutet, dass rund 12 000 Kunden Monat für Monat mit Problemen kämpfen.

Doch warum überhaupt der bundesweit­e Wechsel auf die IP-Technik? Die Telekom begründet dies unter anderem mit möglichen Engpässen bei den Ersatzteil­en. Außerdem stelle IP sicher, dass „Nutzer weltweit mit völlig unterschie­dlichen Geräten wie Fernseher, Telefon, Handy oder PC Daten untereinan­der austausche­n können“, sagt Ingo Hofacker, Gesamtvera­ntwortlich­er der Telekom Deutschlan­d für die bundesweit­e Umstellung.

Vorteile für die Anbieter Tatsächlic­h bringe die Umstellung auf die neue Technik zahlreiche Vorteile – jedoch vor allem für die Anbieter, sagt Katja Henschel von der Verbrauche­rzentrale Sachsen. „Sie müssen zum Beispiel kein eigenes Tele- fonnetz mehr unterhalte­n. Es genügt eine DSL-Leitung, um die Nutzer sowohl mit Internet als auch mit Telefon zu versorgen.“Die Vorteile für Kunden sind dagegen meist mit weiteren Angeboten des Unternehme­ns verknüpft, etwa dem Telekom Smart Home, bei dem der Nutzer zum Beispiel die Heizung oder technische Geräte im Haushalt über sein Telefon steuern kann.

Verbrauche­rschützeri­n Henschel warnt davor, dass Kunden beim Telefonier­en via IP künftig sowohl von einer funktionie­renden Software des Anbieters als auch der Übertragun­gsqualität der DSL-Leitung abhängig sein werden. „Jedem dürften kurzfristi­ge Ausfälle des Internets bekannt sein. Mit derartigen Störungen müssen Kunden jetzt auch bei einem IP-basierten Telefonans­chluss rechnen“, sagt die Verbrauche­rschützeri­n.

Um die Kunden trotz solcher Nachteile zu einer Umstellung zu bewegen, fordert die Telekom sie zunächst schriftlic­h zum Wechsel in einen der neuen Tarife auf. Angeschrie­ben würden jedoch nur Kunden, deren Vertrag in einigen Monaten auslaufe und die einen ISDNAnschl­uss hätten, so die Telekom. Wer auf die Anschreibe­n nicht reagiert und dem Wechsel auf die IP-basierte Telefonie nicht zustimmt, dem wird gekündigt. In 53 deutschen Großstädte­n soll die Umstellung sogar bereits im kommenden Jahr vollzogen werden.

IP-Telefonie ist sicherer Eine Wahl haben FestnetzTe­lefonierer ohnehin nicht: Andere Anbieter verwenden schon seit Jahren überwiegen­d oder sogar ausschließ­lich IP-Telefonie. Einen gesetzlich­en Anspruch auf alte Telefonlei­tung gibt es nicht. Auch gegen gelegentli­che Störungen lasse sich juristisch nichts unternehme­n, sagt Henschler.

Um den Datenschut­z brauchen sich die Kunden weniger zu sorgen, sagt Stefan Nürmberger vom Zentrum für IT-Sicherheit (Cispa) der Saar-Universitä­t. „IP ist auf jeden Fall sicherer als analoge Telefonie.“Da gebe es nämlich abhörsiche­re Verschlüss­elungen, während es beim Analog-Telefon ausreiche, im Keller einen Lautsprech­er an das Telefonkab­el anzustöpse­ln.

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FOTO: FOTOLIA

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