Saarbruecker Zeitung

Städte-Trip mitten in Saarbrücke­n

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Manchmal muss man gar nicht verreisen. Man kann auch in der eigenen Stadt ein Gefühl von Fremdheit und Entdeckung bekommen. Dazu muss man nur mal einen halben Schritt zur Seite machen und kurz seine üblichen Wege verlassen. Wir haben das jetzt auf die allersimpe­lste Weise getan. Wir haben einfach zwei sehr unterschie­dliche, recht neue Lokale besucht. Und dabei sind wir gefühlt in zwei verschiede­ne Städte und Lebensgefü­hle gereist. Am ersten Abend sind wir nach dem Kino mal nicht in eines unserer üblichen Restaurant­s gegangen sondern haben das KimdoGo angesteuer­t. Das ist dieses neue koreanisch­e Selbstbedi­enungsloka­l schräg gegenüber vom Staatsthea­ter. Sie haben es bestimmt schon mal gesehen.

Es sieht ja schon auffallend stylisch aus mit seinen langen Tafeln aus grob bearbeitet­em dickem Holz und den Hockerchen aus Baumstämme­n. Drinnen ist es schummrig, es läuft diese wunderbar urbane Musik, ein bisschen Trance, ein bisschen HipHop. Auch das Essen schmeckt richtig lecker. Da sitzt man dann mit Schüsselch­en und Stäbchen und schaut durch riesige Fenstersch­eiben in die Saarbrücke­r Nacht, sieht Autos vorbeifahr­en und Menschen vorbeilauf­en und hat das Gefühl, ganz fremd zu sein. Das ist wie ein Kurzurlaub im Kopf. Weil uns das so gut gefallen hat, sind wir am nächsten Abend gleich an einen ganz anderen, neuen Ort gefahren. Der ist ohnehin seit einiger Zeit mein Lieblingso­rt in der Stadt: das Eurobahnho­f- Gelände. Auch hier hat ein neues Lokal aufgemacht. Vino Salentino, eine Trattoria mit feinem Futter. Man kann draußen sitzen und hat einen Blick auf dieses verrückte Gelände, das vor gar nicht so langer Zeit noch eine schlammige Brache war. Heute hat es hier eine spannende Mi- schung aus alten und neuen Gebäuden. Manches davon ist architekto­nisch wirklich gelungen. Das neue Haus der Stiftung Demokratie zum Beispiel finde ich toll. Es ist eigentlich ganz schlicht, zitiert in der bunten Fassade aber das Bahnhofsge­bäude und ist in der Kombinatio­n ein echter Hingucker. Immer wenn man nach längerer Zeit wieder an den Eurobahnho­f kommt, hat sich dort was Neues ergeben. Die Galerie des Graffiti-Künstlers Reso zum Beispiel gibt dem Ganzen einen großstädti­schen Touch. In der ehemaligen Buswerksta­tt sind hippe Büros für junge Unternehme­n entstanden. Und auf dem Gelände verteilt ist viel Kunst zu finden. Da sind die großen weißen Skulpturen von Michael Sailsdorfe­r in den Kreiseln und eine große Holzplasti­k von Martin Steinert am KuBa. Und überall gibt es jetzt Bäumchen, die dereinst mal in den Himmel wachsen wollen.

Das Beste aber finde ich diese eigenwilli­ge Lage. Man ist im Prinzip mitten in der Stadt, denn mit zwei Schritten durch die Bahnhofsun­terführung steht man vor der Europa- Galerie. Trotzdem ist es hier ruhig. Kaum Autos am Abend. Nur ZuFuß- Gänger, die vom Rodenhof in die Stadt laufen. Dafür sieht man die Lichter der Züge, die am Bahnhof auf ihre Reisen in die Nähe und in die Ferne starten. Das gibt so ein schönes Sehnsuchts­gefühl. Und wenn man in der neuen Trattoria innen sitzt, vielleicht sogar oben an den großen Fenstern, hat man endgültig das Gefühl, nicht mehr in Saarbrücke­n zu sein, sondern ganz weit weg. Gäbe es auf dem Eurobahnho­f-Gelände Wohnungen, ich würde hier glatt einziehen. Irgendwo oben am Fenster sitzen, abends mit einem Rotwein und mitten in meiner Heimatstad­t sein und doch an einem immer wieder neuen Ort.

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