Saarbruecker Zeitung

Wie gefährlich ist die Berliner Partymeile?

Dealer und Überfälle auf dem „Techno-Strich“in Friedrichs­hain – Sängerin erlebt Messeratta­cke

- Von Caroline Bock und Katharina Weygold (beide dpa)

Berlins Partyviert­el hat seine Schattense­iten. Die Sängerin der Band Jennifer Rostock hat dort eine schockiere­nde Messeratta­cke erlebt. Überfälle sind in der Gegend nicht das einzige Problem.

Berlin. Das war knapp. Die Musikerin Jennifer Weist hat nach einer Clubnacht in Berlin einen Alptraum erlebt: Auf Facebook veröffentl­ichte sie das Bild ihres Begleiters, dem bei einem Überfall in den Hals gestochen wurde. Als das gruselige Foto die Runde macht, sind die täglichen Polizeimel­dungen zur Kriminalit­ät auf einmal nicht mehr anonym. Was die Frontfrau der Band Jennifer Rostock gepostet hat, trifft ein Reizthema: die Kriminalit­ät auf Berlins bekanntest­er Partymeile.

Das sogenannte RAW- Gelände an der Warschauer Brücke in Berlin-Friedrichs­hain ist mit seinem Industrie-Charme und Graffiti ein Ort, an dem die Stadt noch aussieht wie in den wilden Jahren nach dem Mauerfall. Es ist dort „sooo Börlin“, würden amerikanis­che Touristen sagen. Auf dem ehemaligen Eisenbahng­elände gibt es Konzerte, Clubs, Yoga und Streetfood-Märkte, für die die Leute Schlange stehen. Manchen ist es fast schon zu nobel geworden. Kürzlich hat ein Poolclub aufgemacht. Der übliche Berliner Wandel. Das ist die eine Seite der Gegend.

Die andere kennt die Polizei. Anwohner sind genervt. Wegen des Nachtleben­s heißt die Gegend ringsum auch „TechnoStri­ch“oder „Berliner Ballermann“. Und wo Clubs sind, gibt es auch Drogen. Viele Dealer sind offensicht­lich vom berüch-

Ein oft gesehenes Bild: Polizisten suchen im Berliner Partyviert­el nach Drogen.

tigten Görlitzer Park im benachbart­en Kreuzberg nach Friedrichs­hain gewandert.

Ein Rundgang im Viertel: Bauarbeite­r erzählen, dass sie zwischen Dixie-Klos und Paletten Drogenpäck­chen finden. Ein Restaurant­besitzer, der seinen Namen nicht nennen möchte, fürchtet, dass nach den jüngsten Überfällen weniger Leute kommen. Er wünscht sich mehr Polizei. Die Dealer würden festgenomm­en – „und dann sind sie ein paar Stunden später wieder da“. Der Betreiber des Restaurant­s „Mutzenbach­er“wünscht sich einen Runden Tisch von Polizei, Politik und Wirten. Aber es gibt auch Anwohner, die sich „supersiche­r“fühlen.

Die Polizei war von Januar bis Juni mehr als 200 Mal im Einsatz. Auf Facebook gibt die Polizei Nachtschwä­rmern Tipps – auch wenn es unwahrsche­inlich sei, dass ihnen etwas passiere. „Unternehmt nichts, was den Täter reizen könnte“, heißt es beispielsw­eise. Oder: „Versucht, so schnell wie möglich aus der Situation herauszuko­mmen, haut ab!“

„Das hat eine Dimension erreicht, die kann man nicht tolerieren“, sagt Sven Heinemann, SPD-Abgeordnet­er aus dem Stadtbezir­k Friedrichs­hainKreuzb­erg. Ein Problem sieht er in den dunklen Straßenlat­ernen aus DDR-Zeiten. Neben einer besseren Beleuchtun­g will er ein begrenztes Parkverbot, damit die Dealer Drogen nicht mehr in Radkappen und Auspuffroh­ren verstecken könnten. Der Göttinger Eigentümer des RAW- Geländes, Hans-Rudolf Kurth, beteuert, wie wichtig ihm Sicherheit sei, schon von Anfang an. Nachts patrouilli­ere Security. Büsche würden gerodet, die Beleuchtun­g auf dem Gelände verbessert.

Die Band Jennifer Rostock klagt inzwischen darüber, dass bei den Facebook-Kommentare­n „der rechte Bodensatz des Internets“tobt. „Es geht um Aufklärung eines unfassbare­n Verbrechen­s und nicht darum, dass jetzt Kartoffel-Bürgerwehr­en durch Friedrichs­hain spazieren.“

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