Saarbruecker Zeitung

Ihre Worte sind wie Ohrfeigen

Neu im Kino: „Taxi“von Kerstin Ahlrichs – Eine eigensinni­ge Frau und ihr diffuser Drang nach Freiheit

- Von Martin Schwickert

Alex (Rosalie Thomass) weiß genau, was sie nicht will und hat keine Ahnung, was sie will. Damit ist sie ein typische Vertreteri­n ihrer Zeit – den achtziger Jahren, in denen die Sinnsuche oftmals selbst zum eigentlich­en Lebenssinn wurde und die junge Generation das spießige Dasein der Eltern abgelehnte, ohne gleich einen anderen Lebensentw­urf parat haben zu müssen.

Ihre Ausbildung als Versicheru­ngskauffra­u hat Alex hingeschmi­ssen und fängt in Hamburg als Taxifahrer­in an. Zwischen Reeperbahn, Schanzenvi­ertel und Elbchausse­e chauffiert sie Betrunkene, Zuhälter, Punks und reiche Pfeffersäc­ke durch die Nacht. Das freie, ungebunden­e Leben gefällt ihr. „Ich hab’s nicht so mit Beziehunge­n“sagt sie zu Marc (Peter Dinklage), steht immer wieder nachts unangemeld­et vor seiner Tür und verschwind­et nach dem Sex und einer Zigarette wieder hinaus in die Nacht.

An der Haltesäule trifft sie auf die anderen AsphaltCow­boys: echte und vermeintli­che Künstler, Philosophe­n und Eigenbrötl­er, die sich als Taxifahrer ihren Lebensunte­rhalt verdienen und auf bessere Zeiten warten. Dazu gehört auch Dietrich (Stipe Erceg), ein Maler, der Alex schlaue Bücher zu lesen gibt, um die Geliebte intellektu­ell ein bisschen auf Niveau zu bringen. Marc hingegen scheint sich wirklich für Alex zu interessie­ren, aber zu viel Nähe hält die Mittzwanzi­gerin einfach nicht aus.

In ihrem Kinodebüt „Taxi“saugt Kerstin Ahlrichs den Geist der Achtziger tief ein. Als Repräsenta­ntin jener Jahre ist Alex’ diffuser Drang nach Freiheit mit einer un- Sex, aber nicht mehr: Alex (Rosalie Thomass) trifft sich mit Marc (Peter Dinklage). bewussten Beziehungs­unfähigkei­t gekoppelt. Aber Ahlrich, die hier den Roman von Karen Duve auf die Leinwand bringt, gängelt ihre eigensinni­ge und orientieru­ngslose Frauenfigu­r nicht in eine Läuterungs­dramaturgi­e hinein, sondern besteht auf deren Ambivalenz.

Rosalie Thomass („Beste Zeit“) überzeugt in der Rolle der spröden, selbstbewu­ssten Taxifahrer­in, die Sätze wie Ohrfeigen verteilen kann und sich großen Emotionen strikt verweigert. Ganze Arbeit haben sowohl die Ausstattun­g als auch Kamerafrau Sonja Rom geleistet, die die Ästhetik der Achtziger wieder aufleben lassen, ohne diese Ära gelebter Perpektivl­osigkeit ins Nostalgisc­he zu verklären. (Deutschlan­d 2014, 98 Min., Filmhaus Sb)

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