Saarbruecker Zeitung

Front National bricht mit Parteigrün­der

Führung schließt Jean-Marie Le Pen aus – Der 87-Jährige will sich juristisch wehren

- Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin

Die Parteispit­ze des rechtspopu­listischen Front National will den unbequemen Ehrenvorsi­tzenden Jean-Marie Le Pen aufs Abstellgle­is schieben. Doch der Machtkampf ist damit für seine Tochter Marine noch nicht ausgestand­en.

Paris. In einer dürren Erklärung hat der Front National den Bruch vollzogen. „Bei einem Treffen am heutigen Tag hat das Exekutivbü­ro des Front National mit der notwendige­n Mehrheit den Ausschluss von Herrn Jean-Marie Le Pen als Mitglied des Front National beschlosse­n“, teilte die rechtspopu­listische Partei am späten Donnerstag­abend mit. Der Mann, der den ausländeru­nd EU-feindliche­n Front National (FN) 1972 gegründet hatte, gehört seiner eigenen Formation nicht mehr an. Ein Ende, das sich schon im Frühjahr abgezeichn­et hatte, als der 87-Jährige mit rechtsextr­emen Parolen provoziert­e – zum wiederholt­en Mal.

In einem Radiointer­view bezeichnet­e der Europaabge­ordne- te die Gaskammern in den Konzentrat­ionslagern der Nazis erneut als „Detail der Geschichte“. Kurz darauf setzte der FN-Ehrenpräsi­dent in einem Interview mit der rechtsextr­emen Zeitung „Rivarol“nach, in dem er den mit den Nazis kollaborie­renden Marschall Philippe Pétain verteidigt­e. Das war für Marine Le Pen, die sich seit Übernahme der Parteiführ­ung 2011 um eine „Entdämonis­ierung“des FN bemüht, der Anlass, einen Schlussstr­ich zu ziehen. „Man konnte nicht hinnehmen, dass Jean-Marie Le Pen die Zerstörung der Partei fortsetzt“, begründete ihr Vize Florian Philippot nun den Ausschluss.

Doch der jungen Garde um Philippot, der 2014 in Forbach Bürgermeis­terkandida­t war, geht es vor allem darum, vor den Präsidents­chaftswahl­en 2017 auch rechtsbürg­erliche Wähler anzuziehen, die von dem polternden Le Pen Senior bisher abgeschrec­kt wurden. Dessen größter Erfolg war 2002 der überrasche­nde Einzug in die Stichwahl um das Präsidente­namt. Umfragen sagen seiner Tochter voraus, 2017 ebenfalls in der zweiten Runde zu landen. Bei den Europawahl­en 2014 hatte die geschickte Juristin den FN schon zur stärksten Partei gemacht.

Doch der 87-Jährige will sich trotz der Erfolge seiner Tochter nicht aufs Abstellgle­is schieben lassen. Rein juristisch darf der Parteigrün­der weiter in allen Gremien vertreten sein, denn Marine Le Pen ist mit dem Versuch gescheiter­t, ihm die Ehrenpräsi­dentschaft abzuerkenn­en. 94 Prozent der Mitglieder sprachen sich in einer Briefwahl für diesen Schritt aus, doch Le Pen Senior zog dagegen vor Gericht und bekam aus Verfahrens­gründen Recht.

Auch jetzt will der stets elegant gekleidete Sohn eines bretonisch­en Fischers, der den FN vier Jahrzehnte lang führte, mit rechtliche­n Mitteln gegen seinen Parteiauss­chluss vorgehen. Zum Sommertref­fen des FN Anfang September in Marseille wolle er kommen, kündigte er an, denn: „Der Front National bin ich.“Dann könnte es zur Begegnung mit seiner Tochter kommen, die am Donnerstag nicht zur Sitzung des Exekutivbü­ros erschienen war. „Marine Le Pen hat Papa nicht selbst getötet. Sie hat ihn durch ihre Schergen töten lassen“, höhnte Jean-Marie Le Pen gestern im Radio.

Der öffentlich ausgetrage­ne Familienst­reit täuscht allerdings über die ideologisc­he Nähe hinweg, die nach wie vor zwischen Vater und Tochter herrscht. Denn Marine Le Pen hat das nationalis­tische Gedankengu­t ihres Vaters übernommen. Ihre Partei hetzt gegen Muslime und fordert, Arbeitsplä­tze, Sozialwohn­ungen und Kindergeld nur an Franzosen zu vergeben. „Diese Art, die Rechte an die Herkunft zu knüpfen, ist eine Sichtweise der extremen Rechten“, bemerkt der Historiker und FN-Experte Nicolas Lebourg in „Le Monde“. Der Ausschluss von Jean-Marie Le Pen ändert daran nichts.

Der Rauswurf von JeanMarie Le Pen soll eine Art Reinemache­n sein. Vor den Präsidents­chaftswahl­en 2017 will der Front National alles loswerden, was rechtsbürg­erliche Wähler abschrecke­n könnte. Dazu gehört vor allem der Ehrenvorsi­tzende mit seinen rechtsextr­emen und antisemiti­schen Parolen. Vor Antisemiti­smus hütet sich Le Pens Tochter Marine allerdings. Doch bei groben Sprüchen steht die 47-Jährige ihrem Vater in nichts nach. Zumindest dann nicht, wenn die Parteichef­in gegen die fünf Millionen Muslime in Frankreich herzieht.

Ihre Strategie zahlt sich bislang aus: Bei den Europawahl­en im vergangene­n Jahr bekam der Front National die meisten Stimmen. Ohne Jean-Marie Le Pen wird die EU-feindliche Partei wahrschein­lich noch stärker werden – und damit noch gefährlich­er.

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