Jeden Tag ein bisschen besser werden
Die Behindertenwerkstätten bieten Raum für Bildung ohne Druck – SZ-Serie, Teil 21
Für viele behinderte Menschen kommt eine reguläre Ausbildung nicht in Frage. In den Werkstätten können sie Tätigkeiten mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad erlernen und so am Arbeitsleben teilnehmen.
Neunkirchen. Das Geschirr abräumen, die Tische sauber machen und neu decken – zu den Stoßzeiten geht es in der Kantine des Zentrums für Integration und berufliche Bildung (ZIB) in Neunkirchen ziemlich schnell zu. Am Anfang war es Samantha Zander zu hektisch. Jetzt arbeitet die 19-Jährige seit fast einem Jahr hier und hat es drauf. Für Jugendliche mit Behinderungen sind die Anforderungen einer regulären Ausbildung oft nicht zu meistern. Im zweijährigen Berufsbildungsbereich (BBB) können sie sich dennoch in den Werkstätten bestimmte Arbeitsschritte aneignen.
Im Saarland befinden sich zurzeit 500 Männer und Frauen im Berufsbildungsbereich. Samantha Zander befindet sich noch in der Grundausbildung. Danach wird sie ein Praktikum in einem werkstattinternen Betrieb absolvieren. „Ich möchte gerne im Bistro arbeiten, mit den Kunden“, sagt Zander, die dort ab und zu aushilft. Die Arbeitsbedingungen können nicht mit denen in einem normalen Restaurant verglichen werden. „In den werkstattseigenen Betrieben werden die Menschen bei der Arbeit von Fachkräften betreut, die den Druck rausnehmen“, erklärt Ludwig Lorenz, Leiter des ZIB. „Klappt etwas nicht, probiert man es einfach am nächsten Tag wieder.“
Das ist die Philosophie der Qualifizierung in den Werkstätten. Wer hier lernt und arbeitet, „steht dem ersten Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“– so ist das Kriterium der Arbeitsagentur. Im Saarland sind 80 Prozent der Werkstattarbeiter geistig behindert. Die anderen leiden unter einer psychischen, einer körperlichen Einschränkung oder an Mehrfachbehinderungen. „Bei der Arbeit in der Werkstatt steht der therapeutische Aspekt im Vordergrund. Jeder soll sich im Rahmen seiner Möglichkeiten entwickeln“, erklärt Michael Schmaus, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werk- stätten für behinderte Menschen im Saarland.
Maxim Bakovkin gehört zu denjenigen mit der schnellsten Entwicklung am ZIB. Noch bevor er in die Werkstatt kam, wusste er, dass er in der Schreinerei arbeiten wollte. „In der Schule war Werkunterricht mein Lieblingsfach, ich arbeite gerne mit Holz“, sagt der 20Jährige. Die Grundausbildung hatte er ziemlich schnell durch. „Mir war es dort langweilig geworden, ich hatte nicht genug zu tun“. Umso mehr genießt er die längere Phase im Werk I. Die Tätigkeiten seien dort sehr abwechslungsreich. „Ich habe schon Tannenbäume ausgesägt, Schränke und Weinkisten zusammengebaut“, sagt er. Auf eine Holzplatte für das SacklochSpiel ist er besonders stolz: „Ausgesägt, geschliffen, lackiert – ich habe alles selbst gemacht.“Die Chancen, dass er nach seinem Praktikum im Werk I übernommen wird, stehen gut. Auch Samantha Zander möchte gerne bleiben. Doch erstmal muss sie das zweite BBB-Jahr mit der Praktikumsphase absolvieren. Doch nicht nur die Erfolge in der Werkstatt zählen. „Diesen Monat werde ich noch morgens vom Fahrdienst abgeholt, doch ab September fahre ich ganz alleine zur Arbeit“, sagt Zander. Begleitend zum Berufsbildungsbereich hat die junge Frau aus St. Wendel eine Maßnahme absolviert, um selbstständig die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Beim ZIP lernen die Menschen fürs Leben.