Thalys-Züge fahren nach Attacke mit Polizeischutz
Angreifer im Hochgeschwindigkeitszug ist Geheimdiensten als radikaler Islamist bekannt – Er führte 270 Schuss Munition mit sich
Brüssel. Nach der Attacke eines bewaffneten Marokkaners in einem Thalys auf dem Weg nach Paris patrouillieren nun Polizisten in den Hochgeschwindigkeitszügen. Das teilte die belgische Bahngesellschaft mit. Der 25-Jährige hatte im Zug das Feuer eröffnet, wurde aber von Fahrgästen überwältigt. Er soll einer radikal-islamistischen Bewegung angehören.
Das beherzte Eingreifen von drei Reisenden hat am Freitagabend offenbar ein Blutbad im ThalysZug von Amsterdam nach Paris verhindert. Sie stoppten einen mit einer Kalaschnikow bewaffneten Marokkaner.
Paris. Sie waren im Zug unterwegs, um gemeinsam Urlaub zu machen. Doch um 17.50 Uhr am Freitag wurde die Reise von Alek Skarlatos, Spencer Stone und Anthony Sadler durch einen den Geheimdiensten bekannten radikalen Islamisten brutal unterbrochen – und die drei jungen Männer aus den USA wurden ungewollt zu Helden. Im Wagen zwölf des voll besetzten Thalys 9364 stoppten sie den Marokkaner Ayoub K., der mit der Kalaschnikow im Anschlag auf Passagiere schießen wollte. „Ich bin zusammen mit meinen Freunden auf meiner ersten Reise in Europa gewesen und wir haben einen Terroristen gefasst“, schildert der Student Sadler im Fernsehen die Tat, die ihn über Nacht berühmt machte.
„Wenn sie nicht da gewesen wä- ren . . .“titelt die Zeitung „Le Parisien“gestern. Das Szenario ist erschreckend, denn Ayoub K. hatte laut Innenminister Bernard Cazeneuve nicht nur die Kalaschnikow und ein Teppichmesser, sondern auch eine Pistole und neun Magazine mit jeweils 30 Patronen dabei – also 270 Schüsse, die er hätte abgeben können. Mit nacktem Oberkörper und Kalaschnikow in der Hand kam K. aus der Toilette und traf als Erstes auf einen 28-jährigen französischen Banker, der versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen, aber zu Boden geworfen wurde.
Als der Täter dann Wagen zwölf betrat, gab er einen Schuss ab, der einen Franko-Amerikaner verletzte. „Wir haben einen Schuss gehört und berstendes Glas. Dann haben wir einen Zugbegleiter rennen sehen, der von einem Mann mit einer automatischen Waffe verfolgt wurde“, beschreibt Sadler die Szene. „Alek schrie: ‚Spencer, schnapp ihn dir’ und Spencer stürzte sich auf ihn.“
Spencer Stone wurde von dem Attentäter mit einem Teppichmesser am Finger verletzt, konnte das Krankenhaus am Samstagabend aber schon wieder verlas- sen. Der 23-Jährige reagierte schnell, weil er es als Soldat so gewohnt ist: Er ist als Obergefreiter der US-Luftwaffe auf den Azoren stationiert. Ähnlich erfahren ist Alek Skarlatos, der als Stabsgefreiter der Reserve der US-Nationalgarde gerade von einem Einsatz in Afghanistan zurückkam. Hinten in Wagen zwölf saß der Brite Chris Norman hinter seinem Laptop. „Meine erste Reaktion war, mich zu verstecken“, gesteht der 62-Jährige, der in Südfrankreich lebt, hinterher. „Doch dann hörte ich, wie zwei Amerikaner mit ihm kämpften und sagte mir, dass das unsere Chance ist.“Norman eilte den jungen Männer zu Hilfe, die den Täter bewusstlos schlugen und mit der roten Krawatte des Briten fesselten. USPräsident Barack Obama lobte die „heldenhafte Tat“, die möglicher- weise eine schlimmere Tragödie verhindert habe.
Ayoub K. bestritt, einen Terrorakt geplant zu haben. Er habe die Waffen zufällig in einem Park in Brüssel gefunden und damit Passagiere ausrauben wollen. Eine Version, die Experten dem 25Jährigen nicht abnehmen. Denn K. war den spanischen Geheimdiensten bereits bekannt, weil er eine für ihre radikale Ausrichtung bekannte Moschee im andalusischen Algeciras besuchte. Die spanischen Behörden warnten ihre französischen Kollegen 2014 vor dem Marokkaner, der in Drogengeschäfte verwickelt war und sich im Großraum Paris niederlassen wollte. K. bekam daraufhin einen Sicherheitsvermerk der französischen Geheimdienste, die seit den Anschlägen in Januar auf „Charlie Hebdo“und einen jüdischen Supermarkt vor neuen Herausforderungen stehen. In den vergangenen Monaten lebte K. in Belgien. Am 10. Mai soll er in Berlin ein Flugzeug Richtung Istanbul bestiegen haben, möglicherweise Richtung Syrien. Aus Syrien soll K. Ende Mai zurückgekommen sein – um drei Monate später im Thalys 9364 um sich zu schießen.