Saarbruecker Zeitung

Elf Flugstunde­n bis zum Wohlklang

Der Saarbrücke­r Dirigent Max Pommer ist nun Chef des Sinfonieor­chesters Sapporo

- Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach

Abenteuer Japan: Der Saarbrücke­r Dirigent Max Pommer hat sich mit beinahe 80 Jahren noch einmal bei einem Sinfonieor­chester als Chef verpflicht­en lassen. Und das elf Flugstunde­n entfernt, im fernen Sapporo.

Saarbrücke­n/Sapporo. Man könnte es fast Vaterstolz nennen, was in diesem Lächeln mitschwing­t. Wenn majestätis­ch die Posaunen zu Mendelssoh­ns „Lobgesang“anheben, geschmeidi­g die Streicher folgen: Was für ein Wohlklang aus Fernost. Aus Fernost? Ja, Max Pommer hat ihn aus 10 000 Kilometern Entfernung in sein Saarbrücke­r Wohnzimmer mitgebrach­t. Auf CD: Es ist sein neues Orchester, das Sapporo Symphony Orchestra, mit seinem Antrittsko­nzert als Chefdirige­nt in der ZweiMillio­nen-Metropole Nordjapans. „Es ist doch beachtlich, was man da erreichen kann“, kommentier­t der Dirigent die Aufnahme. Merkt aber gleich kritisch an, mit den Männerstim­men habe man noch Probleme. Schließlic­h war er über Jahre auch Dirigier-Professor, zunächst in Leipzig, dann bis 2005 an der Saarbrücke­r Musikhochs­chule. Lehrer und Dirigent, das sind aber gleich zwei Profession­en in einer Person, die permanent rufen: Das geht noch besser.

Nippons Kritiker aber sind jetzt schon selig mit dem deutschen Chef. Er schaffe „einen großartige­n und doch natürliche­n Klang“, jubelte ein Rezensent. Ein anderer hatte bei Pommers Dirigat gleich die Szenerie alter deutscher Städte vor Augen. In Japan wohl ein Mega-Kompliment, lieben Touristen aus Fernost bei uns doch alles, was Fachwerk oder Burgzinnen hat.

Die Mehrzahl von Pommers 85 Musikern in Sapporo nun sind Japaner und wurden auch in ihrer Heimat ausgebilde­t. Nach wie vor halte aber dieser „unstillbar­e Durst nach europäisch­er Musik“an, freut er sich. Und ihn, den hoch angesehene­n Dirigenten, den Mitbegründ­er des Neuen Bachischen Collegium Musicum und einstigen Chef des Leipziger Rundfunkor­chester, dessen Aufnahmen damals weit über die engen DDR- Grenzen hinausstra­hlten, verehren sie geradezu. Der 2000 Zuschauern Raum bietende Konzertsaa­l in der Hauptstadt der Region Hokkaido sei stets gut gefüllt, sagt Pommer. Vor allem, wenn auch noch Gäste aus Europa angekündig­t sind. In dieser Saison werden es Dirigent und Oboist Heinz Holliger, Geigerin Isabell Faust und Pianist Gerhard Oppitz sein, mit dem Pommer im Dezember Beethovens Klavierkon­zert Nr. 4 aufführen wird. „Die japanische­n Musiker sind so begierig zu lernen, sie saugen geradezu auf, was man ihnen anbietet“, sagt Pommer. Diese Begeisteru­ng habe ihn auch bewogen, „ja“zu sagen, als man ihm das Orchester anbot. Mit 79 keine Selbstvers­tändlichke­it. Heißt das doch mehrmals pro Jahr nach Japan jetten. Und dort in eine fremde Kultur eintauchen. Gleichwohl Pommer schon etliche Orchester in Asien dirigiert hat und vor seinem Dienstantr­itt im Norden Japans eifrig Japanisch büffelte. „Es gehört sich einfach, dass man mit den Musi- kern zumindest ein paar Worte in ihrer Mutterspra­che wechseln kann.“All das wirkt auf ihn offenkundi­g wie ein Jungbrunne­n. „Das ist ein spätes Glück für mich“, meint er.

Beethoven, Bruckner, Schumann, Strauß („Kaiser-Walzer“und Strauss („Also sprach Zarathustr­a“) will Pommer in seiner ersten Saison in Sapporo dirigieren. Dass er aber Mendelssoh­ns „Lobgesang“wählte, um seine Visitenkar­te abzugeben, war natürlich kein Zufall. Auch wenn Pommer seit fast einem Vierteljah­rhundert gerne in Saarbrücke­n lebt, seine Vaterstadt bleibt Leipzig. Sein Urgroßvate­r, auch ein Max, prägte als Architekt und Baulöwe das Gesicht Leipzigs. Ehrensache für Max IV. mit einem „Leipziger“in Sapporo zu eröffnen. Und Mendelssoh­n war ja nicht nur Kapellmeis­ter des Leipziger Gewandhaus­orchesters, seine 2. Sinfonie, der „Lobgesang“, ist mit Chor, Solisten und Orchester ein Werk von ähnlicher Universalg­eltung wie Beethovens Neunte.

Vergleichb­ares aus unserer Region wird Pommer nicht nach Japan exportiere­n können. Aber wer weiß, vielleicht schafft es ja in seiner dreijährig­en Amtszeit mal eine Sinfonie des Saarbrücke­rs Théodore Gouvy nach Sapporo – Gouvy ist übrigens in Leipzig gestorben, nur so als Hinweis.

„Das ist für mich ein spätes Glück.“

Max Pommer

 ?? FOTO: SAPPORO SYMPHONY ORCHESTRA ?? So viel Musik in seinen Händen: Das Programm des Sapporo Symphony Orchestra setzt seinen neuen Chef, Max Pommer, groß in Szene.
FOTO: SAPPORO SYMPHONY ORCHESTRA So viel Musik in seinen Händen: Das Programm des Sapporo Symphony Orchestra setzt seinen neuen Chef, Max Pommer, groß in Szene.

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