Klaustrophobisches Konzert im Gefechtsbunker
Künstler-Kollektiv „Das Prinzip des Zufalls“spielte Sommermusik an beengtem Kriegsschauplatz
Zwischen spartanischen Pritschen und Kriegsschildern erklingt Musik. Das Konzert des Kollektivs „Das Prinzip des Zufalls“überraschte schon durch den Spielort: einen ehemaligen Saarbrücker Gefechtsbunker.
Saarbrücken. „Herr Altpeter, dieser Veranstaltungsort ist aber wirklich eine Herausforderung!“meinte eine Zuhörerin zum Chef der Saarbrücker Sommermusik. Recht hatte sie: Ein winziges Kämmerchen in einem Gefechtsbunker, das nur in gebückter Haltung zu erreichen ist und das nur ungefähr 20 Leute fasst, ist in der Tat ein ungewöhnlicher Konzertsaal. Genau daran aber ist dem Künstler-Kollektiv „Das Prinzip des Zufalls“gelegen: Orte, an denen normalerweise nie Konzerte stattfinden, künstlerisch zu erschließen und deren Eigenschaften akustisch und visuell umzusetzen. Am Freitag luden nun Manuel Krass (E-Piano, Effekte), Stephan Goldbach (Kontrabass, Elektronik) und Krischan Kriesten (Licht) in den Gefechtsbunker WH 316 an der Rot Schanz oberhalb der Brebacher Landstraße. Draußen stehen alte Mili- tärfahrzeuge, und auch drinnen in der kargen Kammer erinnert alles an vergangene Zeiten: Da hängen spartanische, schmale Pritschen umgeklappt an der Wand; oben unter der Decke - damit die Ratten nicht drankommen - ist eine Lebensmittelkiste befestigt. „Fernsprecher - Feind hört mit!“mahnt eine Inschrift auf der Längsseite, daneben münden die Öffnungen von Sprachrohren. Es dauerte, bis sich das Publikum in diese Sardinenbüchse gezwängt hatte. „Herrschaften, jetzt aber stillgesessen!“, mahnte Thomas Altpe- ter diejenigen, die einen Pappschemel ergattert hatten. Die anderen blieben im Türrahmen stehen, was zu Kriegszeiten nicht möglich gewesen wäre: „Bei Beschuss Türe schließen“, steht dort zu lesen. „Ich find’s wahnsinnig unangenehm hier!“, kommentierte Goldbach die klaustrophobische Situation - so ungefähr musste sich im Zweiten Weltkrieg auch die Besatzung eines Unterseeboots gefühlt haben. Welche Klänge drangen wohl damals durch die dicken Bunkermauern nach drinnen? Welche Sehnsüchte mochten die Soldaten nach Wochen der Abgeschiedenheit entwickelt haben? Und welche Gespenster spuken hier noch? Dem spürten Krass und Goldbach improvisativ nach und ließen durch im Nebenraum versteckte Lautsprecher dumpfes Sirenengeheul und Gefechtsgrollen hereinkriechen, später versetzte ein tieffrequentes Wabern den Raum in dumpfe Vibrationen. Dank elektronischer Verfremdung waren die Klänge den Instrumenten nicht immer konkret zuzuordnen: All die rutschenden Klangflächen, erstickten Orgeltöne, verzerrten Akkorde und getupften Vibrafon-Sounds, all das irrlichternde Synthesizergequietsche und das vage Grollen des mit dem Bogen gestrichenen oder perkussiv gezupften Kontrabasses - sie spiegelten perfekt die Unsicherheit, die man früher hier wohl empfunden hatte. kek