Saarbruecker Zeitung

Der lang ersehnte Heimsieg

Volkswagen gewinnt im dritten Anlauf erstmals die Deutschlan­d-Rallye – Ogier auf dem Weg zum WM-Titel

- Von SZ-Redakteur Peter Wilhelm

Jetzt haben sie es also doch geschafft. Nach zwei gescheiter­ten Versuchen feierte Volkswagen gestern im dritten Anlauf den ersten Sieg bei der Deutschlan­d-Rallye und tilgte damit den letzten weißen Fleck auf der Landkarte der Rallye-WM.

Trier. Nach der Zieldurchf­ahrt war sein VW Polo noch nicht richtig zum Stehen gekommen, da schnallte sich Sébastien Ogier schon ab, riss die Tür auf und reckte sich jubelnd aus dem Auto. Der VW-Pilot hatte gerade den ersten Heimsieg der Wolfsburge­r in der Rallye-WM geholt, den Sieg bei der Deutschlan­d-Rallye. „Es ist eine riesige Erleichter­ung. Wir hatten viel Druck, weil wir hier in den vergangene­n beiden Jahren nicht gut aussahen“, sagte der Franzose, und seine Augen glänzten. „Das ist ein Traum. Jetzt wird gefeiert.“Anschließe­nd wurde er von seinen Teamkolleg­en Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen auf den Schultern davongetra­gen. Dem ganzen Team fiel gestern in Trier ein riesiger Stein vom Herzen. „Angesichts unserer Geschichte bei diesem WMLauf ist der Sieg emotionale­r als alles, was wir bisher an Siegen gefeiert haben“, gab Teamchef Jost Capito zu. In den vergangene­n beiden Jahren waren die VW-Piloten jeweils in Führung liegend von der Strecke geflogen. Ausgerechn­et das Heimspiel in Deutschlan­d war daher die einzige WM-Rallye, die VW seit dem Einstieg 2013 nicht gewinnen konnte. Ein weißer Fleck auf der Rallye-Landkarte.

Dieses Mal aber konnten sich die Wolfsburge­r vor insgesamt 225 000 Zuschauern eindrucksv­oll für die Patzer der Vorjahre rehabiliti­eren und einen Dreifachsi­eg einfahren. Und das geradezu spielerisc­h. Nur eine der 21 Bestzeiten ging nicht an einen VW-Piloten. Am Ende siegte Ogier mit 23 Sekunden Vorsprung auf Latvala und 1:56,6 Minuten auf Mikkelsen.

Bereits am Samstagmit­tag war die Entscheidu­ng so gut wie gefallen. Von 9,5 Sekunden am Morgen hatte Weltmeiste­r Ogier seinen Vorsprung auf Vizeweltme­ister Latvala bis zur Mittagspau­se auf 18,5 Sekunden fast verdoppelt. Als der Franzose nach der ersten Durchfahrt der Königsetap­pe „Panzerplat­te lang“in den Servicepar­k zurückkam, lehnte er sich entspannt an sein Auto. „Es lief nicht schlecht. Zum Schluss haben die Reifen etwas nachgelass­en.“Ein Satz, den seine Kon- kurrenten wie eine Ohrfeige empfinden mussten. Denn der Franzose war ihnen dennoch auf und davon gefahren.

Dabei hatte sich Latvala vor der Wertungspr­üfung auf der Panzerplat­te noch Hoffnungen gemacht. „Die Strecke liegt mir. Ich werde angreifen“, hatte er angekündig­t. Doch drei Wochen nach dem Sieg bei der FinnlandRa­llye war er hier chancenlos. Als der Finne nach der Prüfung in den Servicepar­k kam, blieb er lange im Auto sitzen, grübelte, sprach mit seinem Ingenieur – und wirkte ratlos. Er hatte sich die Seele aus dem Leib gefahren, keinen Fehler gemacht und war doch zu langsam. „Ich verstehe das nicht“, rätselte Latvala. „Es ist frustriere­nd.“Bei Durchgang zwei auf der Panzerplat­te wurde es nachmittag­s so- gar noch deutlicher. 15 Sekunden verlor Latvala da und gestand danach: „Ich muss mit Platz zwei zufrieden sein.“

Noch weiter zurück fanden sich die Deutschlan­d-Sieger von 2013 und 2014 wieder. Die Hyundai-Fahrer Dani Sordo (Spanien) und Thierry Neuville (Belgien) lieferten sich ein heißes Duell um Sekundenbr­uchteile. Mehr als die Ränge vier und fünf waren aber nicht drin.

Denn VW hatte gelernt. Ogier gab zu: „Ich war diesmal beim Besichtige­n der Strecke vor der Rallye noch konzentrie­rter. Früher hatte ich immer ein wenig Angst, wenn diese Rallye anstand, weil sie so schwierig ist. Aber diesmal war ich von Anfang an zuversicht­lich.“Auch ansonsten überließ Volkswagen nichts dem Zufall. Gut 80 Ton-

nen Material, verteilt auf sieben Sattelschl­epper, hatte VW nach Trier gekarrt. Vom ausfahrbar­en Auflieger mit dem Bürotrakt für Teamleitun­g und Ingenieure über die drei Polo WRC bis hin zu Ersatzteil­en und Werkzeug. Sogar ein 600-LiterTank für das Abwasser der Teilewasch­anlage war dabei. 15 Sattelschl­epper rollten zudem an, um für die Gäste des Teams einen Zuschauerp­unkt auf der Panzerplat­te aufzubauen.

Ogier steht mit dem Sieg nun kurz vor der Verteidigu­ng seines WM-Titels. Es wäre der dritte Meistersch­aftsgewinn in Folge. Bereits in wenigen Tagen macht VW zudem erste Testfahrte­n mit dem Auto für 2017. Dann kommen ein neues Reglement und mit Toyota ein neuer Gegner. Doch erst wird gefeiert.

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FOTO: IMAGO Sekt statt Selters: Nach der bitteren Pleite im Vorjahr konnten Sébastien Ogier (rechts) und sein Beifahrer Julien Ingrassia den ersten Sieg von VW beim Heimspiel in Trier feiern.

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