Der lang ersehnte Heimsieg
Volkswagen gewinnt im dritten Anlauf erstmals die Deutschland-Rallye – Ogier auf dem Weg zum WM-Titel
Jetzt haben sie es also doch geschafft. Nach zwei gescheiterten Versuchen feierte Volkswagen gestern im dritten Anlauf den ersten Sieg bei der Deutschland-Rallye und tilgte damit den letzten weißen Fleck auf der Landkarte der Rallye-WM.
Trier. Nach der Zieldurchfahrt war sein VW Polo noch nicht richtig zum Stehen gekommen, da schnallte sich Sébastien Ogier schon ab, riss die Tür auf und reckte sich jubelnd aus dem Auto. Der VW-Pilot hatte gerade den ersten Heimsieg der Wolfsburger in der Rallye-WM geholt, den Sieg bei der Deutschland-Rallye. „Es ist eine riesige Erleichterung. Wir hatten viel Druck, weil wir hier in den vergangenen beiden Jahren nicht gut aussahen“, sagte der Franzose, und seine Augen glänzten. „Das ist ein Traum. Jetzt wird gefeiert.“Anschließend wurde er von seinen Teamkollegen Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen auf den Schultern davongetragen. Dem ganzen Team fiel gestern in Trier ein riesiger Stein vom Herzen. „Angesichts unserer Geschichte bei diesem WMLauf ist der Sieg emotionaler als alles, was wir bisher an Siegen gefeiert haben“, gab Teamchef Jost Capito zu. In den vergangenen beiden Jahren waren die VW-Piloten jeweils in Führung liegend von der Strecke geflogen. Ausgerechnet das Heimspiel in Deutschland war daher die einzige WM-Rallye, die VW seit dem Einstieg 2013 nicht gewinnen konnte. Ein weißer Fleck auf der Rallye-Landkarte.
Dieses Mal aber konnten sich die Wolfsburger vor insgesamt 225 000 Zuschauern eindrucksvoll für die Patzer der Vorjahre rehabilitieren und einen Dreifachsieg einfahren. Und das geradezu spielerisch. Nur eine der 21 Bestzeiten ging nicht an einen VW-Piloten. Am Ende siegte Ogier mit 23 Sekunden Vorsprung auf Latvala und 1:56,6 Minuten auf Mikkelsen.
Bereits am Samstagmittag war die Entscheidung so gut wie gefallen. Von 9,5 Sekunden am Morgen hatte Weltmeister Ogier seinen Vorsprung auf Vizeweltmeister Latvala bis zur Mittagspause auf 18,5 Sekunden fast verdoppelt. Als der Franzose nach der ersten Durchfahrt der Königsetappe „Panzerplatte lang“in den Servicepark zurückkam, lehnte er sich entspannt an sein Auto. „Es lief nicht schlecht. Zum Schluss haben die Reifen etwas nachgelassen.“Ein Satz, den seine Kon- kurrenten wie eine Ohrfeige empfinden mussten. Denn der Franzose war ihnen dennoch auf und davon gefahren.
Dabei hatte sich Latvala vor der Wertungsprüfung auf der Panzerplatte noch Hoffnungen gemacht. „Die Strecke liegt mir. Ich werde angreifen“, hatte er angekündigt. Doch drei Wochen nach dem Sieg bei der FinnlandRallye war er hier chancenlos. Als der Finne nach der Prüfung in den Servicepark kam, blieb er lange im Auto sitzen, grübelte, sprach mit seinem Ingenieur – und wirkte ratlos. Er hatte sich die Seele aus dem Leib gefahren, keinen Fehler gemacht und war doch zu langsam. „Ich verstehe das nicht“, rätselte Latvala. „Es ist frustrierend.“Bei Durchgang zwei auf der Panzerplatte wurde es nachmittags so- gar noch deutlicher. 15 Sekunden verlor Latvala da und gestand danach: „Ich muss mit Platz zwei zufrieden sein.“
Noch weiter zurück fanden sich die Deutschland-Sieger von 2013 und 2014 wieder. Die Hyundai-Fahrer Dani Sordo (Spanien) und Thierry Neuville (Belgien) lieferten sich ein heißes Duell um Sekundenbruchteile. Mehr als die Ränge vier und fünf waren aber nicht drin.
Denn VW hatte gelernt. Ogier gab zu: „Ich war diesmal beim Besichtigen der Strecke vor der Rallye noch konzentrierter. Früher hatte ich immer ein wenig Angst, wenn diese Rallye anstand, weil sie so schwierig ist. Aber diesmal war ich von Anfang an zuversichtlich.“Auch ansonsten überließ Volkswagen nichts dem Zufall. Gut 80 Ton-
nen Material, verteilt auf sieben Sattelschlepper, hatte VW nach Trier gekarrt. Vom ausfahrbaren Auflieger mit dem Bürotrakt für Teamleitung und Ingenieure über die drei Polo WRC bis hin zu Ersatzteilen und Werkzeug. Sogar ein 600-LiterTank für das Abwasser der Teilewaschanlage war dabei. 15 Sattelschlepper rollten zudem an, um für die Gäste des Teams einen Zuschauerpunkt auf der Panzerplatte aufzubauen.
Ogier steht mit dem Sieg nun kurz vor der Verteidigung seines WM-Titels. Es wäre der dritte Meisterschaftsgewinn in Folge. Bereits in wenigen Tagen macht VW zudem erste Testfahrten mit dem Auto für 2017. Dann kommen ein neues Reglement und mit Toyota ein neuer Gegner. Doch erst wird gefeiert.