Saarbruecker Zeitung

Kompromiss zwischen Serbien und Kosovo

In den Balkan kommt Bewegung: Heute Konferenz in Wien

- Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

Serbien und das Kosovo haben bei den Verhandlun­gen über das Zusammmenl­eben ihrer Bürger einen historisch­en Durchbruch erzielt.

Serbien und Kosovo sind auf dem Weg zu einer Normalisie­rung ihrer Beziehung einen großen Schritt vorangekom­men. Beim heutigen Westbalkan-Gipfel in Wien soll ein Vertrag unterzeich­net werden.

Brüssel. Die Bilder scheinen nicht zueinander zu passen: Auf der einen Seite die Trecks der Flüchtling­e aus den Balkanstaa­ten, auf der anderen Seite die Einigung zwischen den bislang verfeindet­en Serben und Kosovaren am Brüsseler Verhandlun­gstisch. In der Nacht zum Mittwoch ging dort nicht nur eine Gesprächsr­unde von vielen zu Ende. „Das heutige Ergebnis stellt einen richtungsw­eisenden Erfolg im Prozess der Normalisie­rung dar“, bilanziert­e die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini. Serbiens Ministerpr­äsident Aleksandar Vucic beeilte sich sogar, nach dem Treffen mit dem Regierungs­chef des Kosovo, Isa Mustafa, seinen Landsleute­n mitzuteile­n: „Wir bringen gute Ergebnisse mit nach Hause.“Es geht um das Zusammenle­ben der vorwiegend von Albanern bewohnten früheren serbischen Provinz Kosovo, die sich 2008 für unabhängig erklärt hatte und inzwischen von 90 Staaten internatio­nal anerkannt wurde, sowie den rund 50 000 Serben, die im Nordteil des Landes wohnen. Sie sollen jetzt eine parlamenta­rische Versammlun­g bilden dürfen, einen Präsidente­n und dessen Stellvertr­eter wählen können.

Die Vereinbaru­ng schließt neue Kooperatio­nen in den Bereichen Telekommun­ikation, Wasservers­orgung, Energie und Verkehrsin­frastruktu­r ein. Dass nunmehr auch die umstritten­e, berühmte Brücke von Mitrovica über den IbarFluss schrittwei­se wieder geöffnet werden soll, wurde in Brüssel als „Symbol für ein neues Zusammenle­ben“verstanden. Sie wird bisher von Serben blockiert, in der Vergangenh­eit hatten sich die Aggression­en zwischen den Bevölkerun­gsgruppen genau dort immer wieder entladen. „Die Einigung ist ein erster Schritt, aber es gibt noch viele weitere offene Themen“, meinte allerdings der Serbien-Beauftragt­e des Europäisch­en Parlamente­s, David McAllister (CDU), gegenüber unserer Zeitung.

Ein Beispiel: Das Kosovo sieht sich als unabhängig­er Staat und besteht auf einer eigenen Telefon-Vorwahl. Serbien lehnt dies – bisher – ab, weil der Nachbar eben kein Nachbar, sondern eine abtrünnige Pro- vinz auf serbischem Staatsgebi­et sei. Dennoch nennt auch McAllister die Einigung „viel wert“, zumal sie nicht alleine steht, denn der Balkan ist in Bewegung gekommen.

Schon Anfang August hat das kosovarisc­he Parlament in Pristina den Weg zu einem Sondertrib­unal freigemach­t, das die Kriegsverb­rechen von Albanern an Serben im Unabhängig­keitskrieg 1998/1999 aufarbeite­n soll. In der Region hat man begonnen, die belastende Vergangenh­eit aufzuarbei­ten, schließlic­h soll der heutige Donnerstag in die Geschichts­bücher eingehen. Dann nämlich werden die Vertreter aller Westbalkan-Staaten in Wien zu einer großen Konferenz zusammenko­mmen, an der auch Kanzlerin Angela Merkel teilnimmt. In der Wiener Hofburg soll wieder einmal der Kongress tanzen, schließlic­h will man am gleichen Tag in Anwesenhei­t des österreich­ischen Bundespräs­identen Heinz Fischer fast so etwas wie einen Friedensve­rtrag unterzeich­nen.

 ??  ?? Federica Mogherini
Federica Mogherini

Newspapers in German

Newspapers from Germany