Saarbruecker Zeitung

Ein Schicht-Modell wird umgeschich­tet

Arbeitskam­mer-Beratungst­ochter Best hilft bei Problemen in Betrieben – Nordgetrei­de hat davon profitiert

- Von SZ-Redakteur Lothar Warscheid

Die Mitarbeite­r der Arbeitskam­mer-Beratungst­ochter Best helfen, wenn innerbetri­ebliche Probleme auftreten. Beim Cerealien-Hersteller Nordgetrei­de war es das Schichtmod­ell, das Probleme bereitete.

Saarbrücke­n/Überherrn. Es war ein Start auf der grünen Wiese, den der Cerealien-Hersteller Nordgetrei­de vor rund zehn Jahren in Überherrn hinlegte. Das Lübecker Unternehme­n baute damals ein neues Werk für Cornflakes und andere Arten von Frühstücks-Müsli, die es nach eigenen Angaben an führende Unternehme­n im deutschen Lebensmitt­el-Einzelhand­el verkauft. Rund 28 000 Tonnen Frühstücks-Mischungen werden in Überherrn pro Jahr aus Mais, Reis und diversen Getreideso­rten hergestell­t. Viele der rund 125 Mitarbeite­r wurden seinerzeit aus dem saarländis­chen Steinkohle­Bergbau rekrutiert, hatten also Erfahrung mit Wechselsch­ichten. Doch die neue Arbeit war stramm getaktet mit je sieben Tagen Früh-, Spät- und Nachtschic­ht. 2006 wurde bei Nordgetrei­de ein Betriebsra­t gewählt, der rasch spürte, dass die Mitarbeite­r mit dieser Schichtfol­ge Probleme hatten. Über ih- re neue Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss, Gaststätte­n (NGG) nahmen sie Kontakt zu „Best“auf.

Best ist eine Tochter der Arbeitskam­mer (AK) Saarland. Der eingetrage­ne Verein hat sich zur Aufgabe gemacht hat, die Widrigkeit­en der Arbeitswel­t zu analysiere­n und für Abhilfe zu sorgen. „Beratungss­telle für sozialvert­rägliche Technologi­egestaltun­g“ist der volle Name. Seit knapp 26 Jahren gibt es Best.

Meist melden sich die Betriebs- oder Personalrä­te, wenn es in Unternehme­n oder Behörden hakt. So hatte kürzlich ein Handelsunt­ernehmen Kameras aufgestell­t, um bei einem Überfall die Täter schneller identifizi­eren zu können. Doch die Betriebsrä­te waren misstrauis­ch. „Mit der Anlage könnten ja auch die Mitarbeite­r überwacht werden“, mutmaßt Best- Geschäftsf­ührer Jürgen Meyer. Der Best-Chef vermutet zwar nicht hinter jeder Chef-Entscheidu­ng eine Gemeinheit. Aber er weiß auch, wie schnell sich Konflikte in Betrieben hochschauk­eln können. In diesem Fall konnte eine Lösung gefunden werden. „Der Datenschut­z für die Mitarbeite­r wurde sichergest­ellt.“

„Auch bei Nordgetrei­de haben die Arbeitnehm­er-Vertreter nach Jahren des Probierens und Diskutiere­ns zusammen mit Best eine Lösung gefunden“, sagt Markus Albert, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Betriebsra­ts. Jetzt wird im Block eine der drei Schichten (Früh, Spät und Nacht) jeweils drei Mal gefahren und die anderen zwei Mal. Danach sind zwei Tage frei. Die Wochenarbe­itszeit liegt bei 40 Stunden. Etwa 20 Frauen und Männer arbeiten auf einer Schicht.

Seit Anfang dieses Jahres existiert außerdem ein so genannter Optionszyk­lus. Die Mitarbeite­r sind neun Tage zu Hause. Zwei davon sind bezahlte Kerntage, die übrigen sieben so genannte Einbringta­ge. An diesen Tagen können Nordgetrei­de-Beschäftig­te bei Bedarf zur Arbeit gerufen werden. Allerdings nicht mal eben so. „Zwischen Anruf und Einsatz müssen mindestens zwölf Stunden liegen“, erläutert Albert. Und: „Nach 20 Uhr darf kein Anruf mehr erfolgen“. Auch Produktion­sleiter Frank Paffrath ist mit dem Modell zufrieden, das Best zusammen mit dem Betriebsra­t und der Werk- leitung entwickelt hat. „Es ist sehr fortschrit­tlich“.

Inzwischen ist auch der Gesamtbetr­iebsrat von Nordgetrei­de auf die Best-Beratung aufmerksam geworden. Die Saarbrücke­r Spezialist­en sind bei der Verbesseru­ng des betrieblic­hen Vorschlags­wesens mit dabei. Da die Best-Experten Einblick in viele Unternehme­n haben, können sie sagen, wie andere Firmen das Thema angehen. Doch es gibt einen Unterschie­d: Während für saarländis­che Betriebs- und Personalrä­te die Best-Expertise kostenlos ist, müssen Arbeitnehm­erVertrete­r außerhalb des Landes dafür zahlen.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Ständige Qualitätsk­ontrolle: Nordgetrei­de-Produktion­sleiter Frank Paffrath (l.) überprüft mit Mitarbeite­r Dieter Momper die Qualität der gerade hergestell­ten Getreide-Produkte.

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