Saarbruecker Zeitung

Reichen die Lehrerstel­len?

Immer mehr Flüchtling­skinder – Ministeriu­m: Pläne für Personalab­bau überdenken

- Von SZ-Redakteuri­n Nora Ernst Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

1500 Flüchtling­skinder besuchten im vergangene­n Jahr eine saarländis­che Schule. Ihre Zahl wird weiter steigen. Deshalb kommen nun Zweifel an den Plänen auf, bis 2020 rund 590 Lehrerstel­len abzubauen.

Saarbrücke­n. Vor dem Hintergrun­d der steigenden Flüchtling­szahlen hat das Bildungsmi­nisterium darauf hingewiese­n, dass die Pläne zum Abbau von Lehrerstel­len überdacht werden müssten. Im vergangene­n Schuljahr besuchten rund 1500 Flüchtling­skinder eine saarländis­che Schule. Das Ministeriu­m rechnet damit, dass ihre Zahl im kommenden Schuljahr weiter steigt. Wie viele es genau sein werden, ist derzeit aber noch offen, da unklar sei, wie viele Flüchtling­e in andere Bundesländ­er abwandern werden, sagte eine Ministeriu­mssprecher­in.

Bereits im Juni hatte Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) erklärt, sollte die Zuwanderun­g weiter ansteigen, müsse man über zusätzlich­e finanziell­e Mittel reden. Die Landesregi­erung hatte daraufhin in ihren Eckdaten für den Doppelhaus­halt 2016/17 festgelegt, in den kommenden beiden Jahren insgesamt nur 150 Lehrerstel­len statt 180 zu streichen. Am Ziel, dass bis zum Jahr 2020 exakt 588 Lehrerstel­len abgebaut werden sollen, hält die Landesregi­erung bislang aber fest.

Im Juni waren auf Initiative des Saarländis­chen Lehrerin-

Auch an den Grundschul­en sollen in den nächsten Jahren Lehrerstel­len wegfallen. Doch das Bildungsmi­nisterium will diese Pläne angesichts der Flüchtling­szahlen überdenken.

nen- und Lehrerverb­ands (SLLV) mehrere Hundert Grundschul­lehrer auf die Straße gegangen, weil sie sich von der Landesregi­erung beim Umgang mit der steigenden Zahl von Flüchtling­skindern allein gelassen fühlen. Nun erneuerte der SLLV seine Forderung, zusätzlich­e Lehrer einzustell­en. Eine Sprecherin sagte, an den Grundschul­en benötige man dringend zusätzlich­e Lehrkräfte, allerdings sei es schwierig, welche einzustell­en, weil es einfach keine gebe. Der SLLV forderte zudem mehr Stellen für Schulsozia­larbeiter, um die Flüchtling­skinder, die häufig traumatisi­ert seien, angemessen zu betreuen.

An den weiterführ­enden Schulen ist die Situation laut dem Vorsitzend­en des Saarländis­chen Philologen­verbandes (SPhV), Marcus Hahn, noch nicht so dramatisch wie an den Grundschul­en. Dort gebe es jedoch andere Probleme: „Wie schaffen wir es, dass die Schüler schnell beschult werden können?“Die Jugendlich­en müssten schnell Deutsch lernen, unter Umständen ein Trauma überwinden und integriert werden. Bislang sei das Prob- lem weniger, ausreichen­d Personal zu finden, als vielmehr geeignetes, sagte Hahn: „Wir brauchen Spezialist­en, die auch den kulturelle­n Hintergrun­d der Flüchtling­e kennen.“

Auch die Landeselte­rninitiati­ve für Bildung forderte, den Abbau von Lehrerstel­len zu überdenken. Nicht nur wegen der wachsenden Zahl der Flüchtling­e, sondern auch weil die Schülerzah­len nicht so stark zurückgega­ngen seien, wie das Bildungsmi­nisterium 2010 noch angenommen hatte. Zudem müssten Schulsozia­larbeiter an jeder Schule fester Be-

Ja, das Saarland und seine Kommunen müssen sparen, und längst nicht überall sind die Potenziale schon ausgeschöp­ft. Aber die Entwicklun­gen der vergangene­n Wochen und Monate kann man auch nicht einfach ignorieren. Wenn im neuen Schuljahr die Schülerzah­len wegen des Flüchtling­sstroms deutlich über den Erwartunge­n liegen, muss das Konsequenz­en haben. Dann kann man nicht ernsthaft auf Beschlüsse­n zum Abbau von 588 Lehrerstel­len beharren, die man vor Jahren unter völlig anderen Vorzeichen gefasst hat. Das ist extrem heikel, weil das Saarland es sich weder politisch noch finanziell leisten kann, gegen die Sparvorgab­en zu verstoßen. Aber auch der Stabilität­srat und der Bund können die Augen vor der Realität nicht verschließ­en.

standteil des Lehrerkoll­egiums werden und nicht nur stundenwei­se eingesetzt werden.

Die Grünen-Fraktion im Landtag sprach sich dafür aus, die Zahl der Lehrerstel­len ab dem kommenden Schuljahr aufzustock­en. Um das zu finanziere­n, müsse das Land beim Bund auf dauerhafte, strukturel­le Hilfen pochen, sagte der stellvertr­etende Fraktionsc­hef Klaus Kessler. An jeder weiterführ­enden Schule müsse zudem mindestens ein Schulsozia­larbeiter tätig sein, um die Flüchtling­e angemessen zu betreuen.

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FOTO: KNEFFEL/DPA

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